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Aus: Ausgabe vom 08.08.2025, Seite 16 / Sport
Handmähen

Bis zum letzten Büschel

Im oberbayerischen Thundorf werden die Europameisterschaften im Handmähen ausgetragen
Von Gerrit Hoekman
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Wettkampfmähen ist eine Mordsgaudi, aber absolut ernst gemeint

Was ist das, bitteschön, mal wieder für ein Sportsommer? Die deutschen Fußballerinnen begeistern bei der EM in der Schweiz. Florian Lipowitz klettert bei der Tour de France locker über die höchsten Gipfel. Und am kommenden Sonntag folgt schon das nächste Highlight: In Thundorf (Ainring) im Berchtesgadener Land trifft sich Europas Elite im Handmähen, um herauszufinden, wer von ihnen am schnellsten mit der Sense ist.

Rund 150 Teilnehmende aus Bayern, der Schweiz, Österreich, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Südtirol und Euskadi werden in Damen-, Herren-, Juniorinnen-, Junioren- und Jugendwettbewerben an den Start gehen. Saupreißn und Fischköppe haben sich nicht angemeldet. Einleuchtend: Während die Sense im steilen Gelände der Alpen, Pyrenäen und Hohen Tatra hier und da durchaus noch bei der Ernte zum Einsatz kommt, fährt der norddeutsche Bauer mit dem Trecker über die flache Wiese. Der große Schnitter, seit Menschengedenken unangefochtener Weltmeister im Sensen, lässt sich übrigens ebenfalls entschuldigen – er ist beruflich derzeit andernorts sehr eingespannt.

Wettkampfmähen ist zwar auch eine Mordsgaudi, aber absolut ernstgemeint. »Das Mähen mit der Sense ist mehr als nur eine Arbeit – es ist ein anspruchsvoller Sport, bei dem Ausdauer, Schnelligkeit und Präzision gefragt sind«, erklärt der Handmähverein Thundorf-Straß e. V. auf seiner Internetseite. Nach 2009 darf der Verein die Europameisterschaft heuer erneut austragen. Damals waren mehr 2.500 Zuschauerinnen und Zuschauer dabei. Der Veranstalter hofft, dass es diesmal ähnlich viele sein werden.

Zur Eröffnungsfeier am Sonnabend hat sich Hubert Aiwanger angesagt, seines Zeichens bayrischer Wirtschaftsminister und Chef der Freien Wähler. Er hat freudig die Schirmherrschaft übernommen und sogar angekündigt, selbst zu Sense zu greifen. Außer Konkurrenz, versteht sich. Er hätte ohnehin keine Chance. »Ein Hoch auf unsere fleißigen Bauern!« postete er am Mittwoch nach der Hauptalmbegehung in Ruhpolding auf X.

Fleißig sind die Handmäherinnen und Handmäher allemal. »Zweimal pro Woche trainieren wir, um unsere Fähigkeiten zu verbessern und die Tradition lebendig zu halten«, so der Handmähverein aus Thundorf-Straß, der einen Titelverteidiger in seinen Reihen hat: Bei der letzten EM vor zwei Jahren in Slowenien wurde der damals 13 Jahre alte Lukas Schinagl Jugendeuropameister. In einer Minute und 48 Sekunden senste er auf 25 Quadratmeter das Gras auf eine Höhe, bei der jeder englische Rasen blassgrün vor Neid wird.

Beim Wettkampfmähen zählt nicht nur Schnelligkeit, die Mahd, wie das geschnittene Gras im Fachjargon heißt, muss auch optisch überzeugen. In Moravče vor zwei Jahren waren die Bedingungen außerordentlich anspruchsvoll. »Der Bestand war eher kurz, aufgrund der Witterung fehlte ein schönes Untergras und dazu stand etwa ein Drittel der von mir per Los gezogenen Fläche wegen Unwettern unter Wasser«, schilderte Elisabeth Stangl den Salzburger Nachrichten. Auch in Thundorf hat es die letzten Wochen immer wieder geregnet, aber am Wochenende soll es trocken und sonnig werden.

Weil die Österreicherin sauberer als die Konkurrentinnen senste, wurde sie zum zweiten Mal Europameisterin, gleichwohl sie ein paar Sekunden länger brauchte als die anderen. Wichtig ist, dass keine Grasbüschel stehenbleiben und die Fläche schön gleichmäßig geschnitten ist. Der ehemalige deutsche Torhütertitan Oliver Kahn benötigte dazu im heimischen Garten bekannterweise eine Nagelschere und wahrscheinlich auch deutlich länger. Österreich ist im Mähen eine Macht. Florian Reithuber wurde Europameister bei den Herren und den Mannschaftswettbewerb gewannen sowohl die Frauen als auch die Männer.

Aber zumindest im Feiern gehören die Bayern zur Weltspitze. Die 40 Mitglieder des Thundorf-Straß e. V. haben für die Heim-EM ein Rahmenprogramm auf die Beine gestellt, das selbst die Trinkfestesten umhauen dürfte. Weil es sich empfiehlt, beim Hantieren mit den messerscharfen Sensen am Wettkampftag stocknüchtern zu sein, begann die bierselige Sause schon am Mittwoch abend. Die Blaskapelle »Weißbier Musi« aus dem benachbarten Anger spielte im Festzelt. Ganz nach dem Motto der Musiker »Wer de Weissbier Musi bucht, der griagt de Weissbier Musi, mit allen Konsequenzen!!!«

Donnerstag, Freitag, Sonnabend – jeden Abend ist Party. Offenbar gehören Handmähen, Tradition bewahren und das ein oder andere Maß stemmen untrennbar zusammen. Noch am Sonntag morgen, kurz vor dem Wettkampf, können sich die Nichtaktiven beim Frühschoppen in Stimmung trinken. Danach geht es gemeinsam zur Wiese, die von den Aktiven gemäht werden soll. Vorneweg mit Wumtata die in Bayern unvermeidliche Musikkapelle. Sportlich wurde es zum ersten Mal am Freitag, als die Teilnehmenden versuchten, den Weltrekord zu brechen. Der liegt bei 43 Sekunden für 49 Qua­dratmeter. Ob es geklappt hat, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (8. August 2025 um 18:05 Uhr)
    Der Mähroboter wird gelb vor Neid und außerdem kriegt er keine Maß Zielwasser.

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