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Aus: Ausgabe vom 06.08.2025, Seite 16 / Sport

Die Viertelstunde des Eintopfs

Von André Dahlmeyer
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Fußball: Unser wahres Leben

Einen wunderschönen guten Morgen! Cerro Porteño hat nach einer phantastischen Aufholjagd den paraguayischen Superclásico beim Rekordmeister (47 Meisterschaften) der Guaraníes, Club Olimpia, nach langer Durststrecke mal wieder (am Ende überraschend) gewonnen und sich damit als Tabellenführer des aktuellen Torneo Clausura konsolidiert. Die beiden Argentinier Alexis Martín Arias (Tor) und Ignacio Aliseda (erst in der letzten Viertelstunde eingewechselt) avancierten zu den Matchwinnern des Azulgrana. Arias hielt den Ciclón mit seinen Reflexen am Leben, während Aliseda, der 2019 mit Argentinien Gold bei den Panamerikanischen Spielen in Lima gewann, gleich nach seiner Einwechslung einen Doppelpack schnürte. Gespielt wurde nicht im legendären Stadion »Verteidiger des Chaco« in der Hauptstadt Asunción, sondern im Estadio Antonio Aranda von Ciudad del Este an der »Triple Frontera« mit Brasilien und Argentinien. Erstmals wurde dort 1999 ein Superclásico gekickt, zuletzt vor zehn Jahren.

Das Spiel begann wie erwartet. Cerro war der Alleinherrscher über den Ball. Das muss man können. Klappt nicht immer. Olimpia zuckte mit den Schultern, war blitzgefährlich bei Kontern. Erstmals klingelte es nach vier Minuten. Genaugenommen klingelten sie nicht, sie schossen durch die Tür. Der Schütze heißt Hugo Quintana. Sein Knaller vom Halbmond, mit dem Spann geschossen und unten rechts versenkt, war letal – Arias flog nur für die Galerie (und darf sich nun womöglich einen doppelten McDoof bei Burgerstress abholen). Das ist, wie wenn die eigene Mannschaft ein Tor erzielt und der Trainer plötzlich wüst herumhampelt wie Rumpelstilzchen und kryptische Anweisungen flunkert. Derlei Burschen wollen lediglich auf den Bildschirm. Eins Komma fünf Sekunden Superstar – sie sind genügsam geworden, die Boyz. Dennoch alles ein potentieller respektive stetiger Transfermarkt. Es flackert. Kein Testbild mehr. Bilder kaufen Leute, bzw. Leute mit Bakschisch gehen auf große Bitcoin-Einkaufstour. Zockende Selbstverwirklichung. Verluste? Kollateral!

Cerro war verblüfft, reagierte aber. Kreierte Chancen. War ineffizient (vor allem Jonatan Torres). Nach einer Stunde brachte Ex-Boca-­Juniors-Trainer Diego Martínez Federico Carrizo und Luis Amarillo für Adrián Alcaraz und eben Torres. Auf der Gegenseite schaukelte sich Ramón Díaz, früher der Erzfeind von Diego Maradona, die Eier. Wechseln? Nö. Rodney Redes unterstrich die Chose, indem er ad hoc ein Traumtor aus der Distanz zum 2:0 in den Winkel einlochte. Traumtor ist ein inflationär verwendetes Wort, ich belasse es dabei. Minuten darauf gab es Strafstoß für Cerro, »Pachi« Carrizo lupfte im Panenkastil die Kugel zum Anschlusstreffer in die schlüpfrigen Reusen. Es folgten futbolistische Blähungen in den unerforschten Mittelfeldregionen. Da, wo Hase und Igel pogen. Dann: Strafstoß für Olimpia, man lebt nur einmal. Gehalten!! Es schlug die Viertelstunde von »Puchero« (Eintopf) Aliseda. Der glich mit einem Kopfball aus und füsilierte den Erzrivalen schließlich mit seinem Treffer zwei Minuten vor Schluss. Alle Schleusen waren offen. Der erste Sieg gegen Olimpia nach vierzehn Spielen.

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