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Aus: Ausgabe vom 06.08.2025, Seite 1 / Titel
Hiroshima-Jahrestag

Abrüsten, bevor es zu spät ist

Angesichts eines drohenden atomaren Wettrüstens rückt die Auslöschung der Menschheit näher
Von Arnold Schölzel
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Taschenuhr, die zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfs – 8.15 Uhr – stehengeblieben ist, im Hiroshima-Friedensmuseum. Die Weltuntergangsuhr wurde am 28. Januar 2025 auf 89 Sekunden vor Mitternacht gestellt

Vor 80 Jahren zerstörte eine US-Atombombe die japanische Stadt Hiroshima. Am 9. August 1945 folgte die Atombombe auf Nagasaki. Die Explosionen töteten rund 100.000 Menschen sofort, bis Ende 1945 starben etwa weitere 130.000 Menschen. Die genaue Zahl der Opfer, die an Spätfolgen bis heute ums Leben kamen, ist unbekannt, es dürften einige Hunderttausend sein.

Kurz vor dem 80. Jahrestag der beiden Atombombenabwürfe besteht für die Menschheit die wahrscheinlich größte Gefahr seit 1945, dass es zu einem Atomkrieg kommen könnte. Am 28. Januar setzte jedenfalls das »Bulletin der amerikanischen Atomwissenschaftler« seine »Weltuntergangsuhr« auf 89 Sekunden vor Mitternacht und damit »der Auslöschung der Menschheit am nächsten«. Das war eine Woche nach der Einführung Donald Trumps in seine zweite Amtszeit.

Der US-Präsident hat viel getan, um die mit ihm einhergehende Gefahr zu bestätigen. Erst in der vergangenen Woche ordnete er an, Atomunterseebote »näher an Russland« zu verlegen. Im Juni griff er gemeinsam mit Israel iranische Atomanlagen an. Das russische Außenministerium warnte damals vor »einer nuklearen Katastrophe«. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hingegen zeigte sich »dankbar«: »Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.«

Am Montag abend kam nun aus Moskau eine Antwort auf die Weltherrschaftsträume, die sich hinter solchen Kriegshandlungen und Äußerungen verbergen, die Berlin und Washington mit der Realität konfrontiert: Das russische Außenministerium erklärte den Ausstieg aus dem Moratorium, an das sich Russland nach der Kündigung des INF-Vertrages (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty) durch Trump in seiner ersten Amtszeit 2019 gehalten hatte. Der 1987 zwischen USA und Sowjetunion geschlossene Vertrag – der bisher einzige Abrüstungsvertrag auf diesem Gebiet – sah die Vernichtung aller landgestützten Atomraketen mit mittlerer und kürzerer Reichweite (zwischen 500 und 5.500 Kilometer) vor.

Die russische Erklärung führt mehrere Tatsachen an, mit denen die USA und Verbündete eine neue atomare Bedrohung herbeigeführt haben oder demnächst herbeiführen wollen. So seien die Tests der von Washington in einer Vielzahl von Varianten entwickelten Basisversionen neuer Mittelstreckenraketen »weitgehend abgeschlossen oder befinden sich in der Endphase«. Die Serienproduktion einiger dieser Systeme habe begonnen. Das Pentagon bilde und stationiere in verschiedenen Regionen »Spezialeinheiten und Kommandos, um ihre frühzeitige Stationierung und Nutzung sicherzustellen«. Dabei geht es demnach nicht nur um Europa, sondern auch um Asien und den Pazifik. Getestet worden seien die neuen Raketen seit 2023 in Dänemark, 2024 seien sie »unter dem Vorwand von Übungen« an die Philippinen geliefert worden, befänden sich aber »noch immer dort«. Ausdrücklich verweist die Erklärung, dass das neue Waffensystem auch in der BRD ab 2026 stationiert werden soll. Im Juli sei es bei Schießübungen auch in Australien eingesetzt und zugleich das US-Hyperschallwaffensystem »Dark Eagle« erstmals im Ausland stationiert worden. Das Pentagon habe offen erklärt, dass dies »zum Zweck der Machtdemonstration« geschehe.

Washington und Berlin spielen mit dem Feuer. Aus Hiroshima und Nagasaki haben sie nur den Schluss gezogen, dass atomare Abrüstung ein Hindernis ist. Abrüstung bleibt aber die einzige Chance für die Menschheit.

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  • Leserbrief von Horst Neumann aus Bad Kleinen (7. August 2025 um 10:52 Uhr)
    Diese Mahnung kann man nicht oft genug wiederholen. Notwendig wäre aber, dass sich Politiker, Militärs und Journalisten mit den enormen Schäden und Opfer damals und in den folgenden Jahren beschäftigen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was ein atomarer Krieg eigentlich bedeutet. Die leichtfertigen aktuellen Äußerungen des genannten Personenkreises lassen leider erkennen, dass dafür ein großer Nachholbedarf besteht. Fehlende Kenntnisse über physikalische Prozesse in diesem Bereich und ihre kurzen und langzeitigen Wirkungen können zu gefährlichen Entscheidungen führen. Es ist kein Trost, dass auch die Initiatoren und Akteure selbst ihr Leben verlieren würden.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (6. August 2025 um 11:44 Uhr)
    »Abrüsten, bevor es zu spät ist« und »Abrüstung bleibt aber die einzige Chance für die Menschheit.« Da könnte man auf den Gedanken kommen, der Krieg käme von den Waffen. Die Anzahl und Zerstörungskraft der Waffen war 1914 und 1939 nur ein Bruchteil der Waffen von heute. Und doch kam es zu den beiden Weltkriegen mit Millionen Opfern. Den dritten Weltkrieg kann man auch mit ein bisschen »Abrüstung« führen. Wenn man aber anerkennt, dass der Kapitalismus die Ursache aller Kriege ist, wird auch klar, worin »die einzige Chance für die Menschheit« besteht.
    • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (6. August 2025 um 12:18 Uhr)
      »Wenn man aber anerkennt, dass der Kapitalismus die Ursache aller Kriege ist, wird auch klar, worin «die einzige Chance für die Menschheit» besteht.« Ich bin mir da nicht so sicher. Der Kapitalismus bringt den Krieg zwar automatisch mit sich, da sein Prinzip nicht die friedliche Koexistenz ist, sondern stets die Zwang besteht ,die konkurrierende Seite zu schlucken (zu expandieren), wenn man nicht selbst geschluckt werden will. Aber das gab es im Feudalismus und in der Sklavenhaltergesellschaft auch. Daher ist der Kapitalismus nicht die Ursache aller Kriege. Sozialistische Staaten sind ebenfalls nicht ganz davor gefeit, Krieg gegeneinander zu führen – wie China und Vietnam 1979. Sie boten allerdings insgesamt die Gewähr für eine friedliche Periode in Europa zwischen 1945 und 1989. Die Kriege und Toten nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems beweisen dann aber tatsächlich, worin die Chancen bestanden hätten, wenn genügend Menschen das damals gewollt und aktiver unterstützt hätten. Wer nur die Westmark, mehr Reisefreiheit und Konsum wollte, hat eben nun für seine Kinder und Enkel dafür aller Wahrscheinlichkeit mehr Krieg und früheren Tod seiner Nachkommen eingehandelt – oder sogar noch für sich selbst.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (7. August 2025 um 10:30 Uhr)
        »Aber das gab es im Feudalismus und in der Sklavenhaltergesellschaft auch. Daher ist der Kapitalismus nicht die Ursache aller Kriege«. Das ist jetzt ein bisschen spitzfindig. Wir reden doch vom hier und heute. Selbst wenn es noch irgendwo Feudalismus oder Sklavenhaltergesellschaft geben sollte, ist das bedeutungslos. »Sozialistische Staaten sind ebenfalls nicht ganz davor gefeit, Krieg gegeneinander zu führen – wie China und Vietnam 1979«. Dieses einzige Beispiel, das Sie gefunden haben glauben, kann eigentlich nur bedeuten, dass eine von den beiden Parteien vom sozialistischen Weg abgewichen ist. »Die Kriege und Toten nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems beweisen dann aber tatsächlich, worin die Chancen bestanden hätten, wenn genügend Menschen das damals gewollt und aktiver unterstützt hätten« Worin bestanden denn die Chancen, die ich nicht gesehen habe? Und was hätten genügend Menschen wollen und aktiver unterstützen sollen?
        • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (7. August 2025 um 13:26 Uhr)
          »Dieses einzige Beispiel, das Sie gefunden haben glauben, kann eigentlich nur bedeuten, dass eine von den beiden Parteien vom sozialistischen Weg abgewichen ist.« Das muss es nicht bedeuten, und es ist auch nicht das einzige Beispiel. Die UdSSR als sozialistischer Staat begann 1940 Krieg gegen Finnland, da sie dies für die Sicherheit von Leningrad als notwendig erachtete und Finnland alle Angebote zu einem Gebietsaustausch zuvor abgelehnt hatte. Es war kein Abweichen vom sozialistischen Weg sondern eine vorsorgende Rettungsmaßnahme für diesen Weg, wie sich spätestens bei der Blockade Leningrads mit finnischer Beteiligung sehr bald zeigte. Jedenfalls hat es in allen Gesellschaftsordnungen Angriffskriege gegeben, auch in der sozialistischen. Zu Ihrer Frage: Die Chance 1989 hätte dennoch darin bestanden, das sozialistische System nicht freiwillig aufzugeben. Dass sehen auch Sie so, wie Ihre Beiträge erkennen lassen.
          • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (8. August 2025 um 09:44 Uhr)
            Mit Ihnen könnte man tagelang diskutieren, weil Sie immer neue Fässer aufmachen. Jetzt hat es also »in allen Gesellschaftsordnungen Angriffskriege gegeben, auch in der sozialistischen«. Fehlte nur noch der Hinweis, Kriege sind unvermeidbar, wird es immer geben. Im übrigen haben Sie selbst dargelegt, dass der Krieg gegen Finnland eine vorsorgende Rettungsmaßnahme war und nicht mit imperialistischen Raubzügen auf eine Stufe zu setzen ist. »Der Krieg gegen Finnland taugt auch nicht dazu, die These von der ›Macht ohne Moral‹ zu stützen – er war im Gegenteil motiviert von höchster revolutionärer, kommunistischer Moral – der Sicherung der Stadt Lenins, der Geburtsstadt der Oktoberrevolution, und der Bewahrung der Leningrader vor der faschistischen Okkupation.« (Kurt Gossweiler: »Ist Gewalt zur Verteidigung des Kommunismus unmoralisch?«). Was unter Chancen von 1989 zu verstehen ist, haben Sie jetzt erst unmissverständlich nachgeschoben. Das konnte man auch so lesen, dass sich erst durch die Konterrevolution (»Zusammenbruch«) neue Chancen ergaben.
            • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (8. August 2025 um 12:18 Uhr)
              Dass Armeen aller Gesellschaftsordnungen bisher auch Angriffskriege geführt haben, damit auch die sozialistischen, ist eine Tatsache, die Sie mit immer neuen Ausflüchten zu entkräften versuchen, auf die ich dann mit weiteren Beispielen reagiere. Wenn ich hier den Chinesisch-vietnamesischen Krieg und den Sowjetisch-finnischen Krieges angeführte, so habe ich dies nicht mit imperialistischen Eroberungskriegen gleichgesetzt. Aber es waren Kriege sozialistischer Staaten. Auch der Eintritt in den Afghanistan-Krieg durch die UdSSR auf Anforderung der Regierung in Kabul, war moralisch zwar zu rechtfertigen, aber dennoch ein Krieg. Ich kann leider Ihren Glauben nicht teilen, dass selbst unter weltweit sozialistischen Bedingungen deshalb kriegerische Auseinandersetzungen vollkommen unterbleiben würden. Dazu ist der dem Menschen eigene Egoismus und der Drang einzelner Führungspersönlichkeiten, sich in den Vordergrund zu spielen, viel zu groß. Ich nehme an, Sie oder Herr Gossweiler haben auch eine moralische Begründung, warum nach der Oktoberrevolution ein großer Teil des leninschen ZK unter Stalin ermordet wurde und anschließend die Mehrheit der Marschälle, Admiräle und tausende Offiziere der Streitkräfte der UdSSR. Ich ahne es schon: Das hat so nicht stattgefunden. Aber auch das war Krieg – im Innern, gegen tatsächliche und eingebildete Gegner innerhalb der sozialistischen Führungsschicht.
              • Leserbrief von Jürgen Fleißner aus Seeheim - Jugernheim (9. August 2025 um 15:56 Uhr)
                Ich habe mich schon oft über Ihre teilweise skurrilen Ansichten aufgeregt, aber bei der These »Dazu ist der dem Menschen eigener Egoismus und der Drang …«. Kann ich Ihnen nur beipflichten. Es hat immer schon Menschen wie Putin oder Trump gegeben, die glauben, sie hätten das Recht das zu tun was sie tun, und wenn es den Untergang der Menschheit bedeuten würde. Mit friedlichen Grüßen.J.Fleißner
              • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (8. August 2025 um 14:24 Uhr)
                »Dazu ist der dem Menschen eigene Egoismus und der Drang einzelner Führungspersönlichkeiten, sich in den Vordergrund zu spielen, viel zu groß.« An welchem Stammtisch haben Sie diese Weisheit eingefangen?

                Die KI sagt folgendes: »Bertolt Brecht, ein bedeutender deutscher Dramatiker und Lyriker, forderte in einem offenen Brief ›völlige Freiheit‹ für Kunst und Kultur, schränkte diese Forderung aber durch den Satz ›Keine Freiheit für Schriften und Kunstwerke, welche den Krieg verherrlichen oder als unvermeidbar [!] hinstellen und für solche, welche den Völkerhass fördern‹ ein.«
                • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (8. August 2025 um 15:02 Uhr)
                  Jeder Krieg ist vermeidbar wie jeder Verkehrsunfall, sofern die Verkehrsteilnehmer die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und sich niemand aggressiv gegen andere verhält. Aber weder Jesus noch Bertold Brecht konnten bisher garantieren, dass sich alle an diesen Ratschlag halten. Wenn sie mir ein Jahr innerhalb der letzten 5000 Jahre nennen können, in dem nirgends auf der Erde Krieg statt fand, können wir unsere Diskussion gern fortsetzen. Übrigens: Die KI hat einem Unternehmen auf Anfrage nach neuen Rezepten Speiseeis mit Speck empfohlen. Es hat außerdem schon viele Fälle gegeben, wo sie nicht unterscheiden konnte, was wahr ist und was Fiktion. So groß scheint mir der Unterschied zum Stammtisch daher nicht zu sein.
                  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (8. August 2025 um 15:17 Uhr)
                    »(…) können wir unsere Diskussion gern fortsetzen«. Nein, dazu ist mir die Zeit zu schade.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (6. August 2025 um 13:06 Uhr)
        Das Risiko für einen alles vernichtenden Atomkrieg geht heute eindeutig von dem das politische Handeln bestimmenden Profitmotiv aus. Wie zitierte doch Karl Marx sinngemäß: »300 Prozent Profit und es ist kein Verbrechen zu groß, und sei es um die Gefahr des Galgens.« Das ist der Kern des heute zu lösenden Problems. Die Sache mit dem Sozialismus können wir getrost klären, wenn diese Gefahr überwunden ist. Denn jetzt geht es nicht um akademische Debatten. Es geht um Untergang oder Nichtuntergang. Darauf müssen wir bei Strafe unseres Untergangs unsere (noch viel zu geringen) Kräfte konzentrieren.

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