Sie waren einfach nicht von uns
Von Andreas Gläser
Ich wurde 1965 in Berlin geboren, unweit vom einstigen Exerzierplatz der preußischen Armee, aber ich schaffte es bisher noch nie, ein Spiel der seit den 1930ern nahezu alljährlich ausgetragenen Bezirksmeisterschaft in Prenzlauer Berg bzw. Pankow zu besuchen. Es geht um den traditionsreichen Exer-Pokal. Immerhin jagten wir dort selbst dem Ball nach, auf dem Falkplatz, oder auf einem der nahen Empor-Areale. Wir waren Straßenfußballer und Schulfreunde aus dem Meisterkiez, rund um den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. Zum Leidwesen unserer Eltern spielten wir auch in den teuren Straßenschuhen auf der Stoppelwiese nahe der Mauer und nahmen die Lederpflaume voll Pieke. Es kam vor, dass unser Ball über das umstrittene Bauwerk gen Wedding flog und wenig später von einem Grenzsoldaten zurückbefördert wurde, oder auch nicht.
Unsere Spiele endeten oft abrupt. Denn auch wenn wir als Hortkinder der siebten Oberschule untereinander sportlich und fair agierten, so brisant konnte es werden, wenn einige Jungs der Nachbarschule, der achten POS, sich in unser Spielgeschehen integrieren lassen wollten. Tja, schwierig. Wenn wir sie einfach vertrieben, kamen wenig später doppelt so viele angestürmt. Plötzlich purzelten zwei Mannschaften der siebten und eine Zuschauertruppe der achten POS durcheinander. Die Typen der Nachbarschule waren einfach nicht von uns, und die vom Kollwitzplatz sowieso nicht. Gegen die musste der Falkplatz bzw. der Exer zusammenhalten. Und im Ferienlager hatten die Jungs vom Prenzlauer Berg was gegen die aus Weißensee.
Lange Rede, kurzer Sinn: Warschauer Pakt gegen NATO. Deshalb stand die Mauer. Die Ergebnisse unserer Spiele wurden in keiner Statistik verewigt. Doch wir lernten, die Lederpflaume einigermaßen kontrolliert mit dem Voll- oder Innenspann zu nehmen. Und wir rannten nicht gleich weg, wenn die hässlichen Sitzenbleiber aus der achten POS einen auf Black-Sabbath-Army machten.
Heutzutage bleibe ich beim Tai-Chi. Zumal ich Altersgenossen kenne, die abwechselnd wegen dem linken oder rechten Knie auf den OP-Tisch müssen. Einige Freunde und Bekannte leben nicht mehr. Jedenfalls fand der Großteil der diesjährigen Spiele um den Exer-Pokal schon statt. In der Vorrunde der A- und B-Gruppe mit je fünf Vereinen wurden die Halbfinalisten ermittelt. Am Dienstag (5.8.) trifft ab 19 Uhr der SV Blau-Gelb auf Rotation Prenzlauer Berg. Mittwoch spielen zur selben Zeit der SV Empor II und Pfeffersport gegeneinander. Am Freitag findet ab 19 Uhr das kleine Finale statt, und am Sonnabend steigt ab 15 Uhr das Endspiel. Niemand in Groß-Pankow soll sagen, er hätte es nicht gewusst. Gespielt wird auf dem engen Tesch-Platz, inmitten der Gründerzeitbauten an der Dunckerstraße. Der Eintritt beträgt jeweils drei Euro. Das Wetter wird so spannend wie die Spiele.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Sport
-
Die Berge entscheiden
vom 05.08.2025 -
Ein Wahnsinn
vom 05.08.2025