Rauswerfen und morden
Von Carmela Negrete
Zwei Beschäftigte einer Firma namens »Desokupa Ahora« (auf deutsch: »Räumung jetzt«) gaben am vergangenen Mittwoch auf der kanarischen Insel Teneriffa die Leiche einer totgeprügelten Person auf einer Polizeiwache ab. Sich selbst gaben sie als die Täter zu erkennen, wie spanische Medien berichteten. Ein weiterer Geschädigter wurde laut der Lokalzeitung El Día ins Krankenhaus eingeliefert. Bei den mutmaßlichen Tätern soll es sich um den Eigentümer und einen Beschäftigten des auf »Desokupación«, also Zwangsräumungen von zahlungsunfähigen Mietern, spezialisierten Unternehmens handeln – beide bekannt als rechte Schläger. Die lokale Mietervereinigung und antifaschistische Gruppen fordern Gerechtigkeit für den Getöteten und warnen vor Verstrickungen in die rechte Szene.
Das Geschäft mit den Räumungen hat in Spanien System. Noch immer gibt es laut dem staatlichen Observatorium für bezahlbares Wohnen rund 75 Zwangsräumungen pro Tag (die Zahlen beziehen sich auf 2024). Bei der Vertreibung von Menschen aus ihren Wohnungen handelt es sich meist um die Konsequenz unbezahlter Mieten nach Mieterhöhungen. Vordergründig sind das ganz legale, mit Polizeibeamten und Gerichtsvollziehern durchgeführte Zwangsräumungen. Doch seit 2020 gibt es in Spanien ein Gesetz, das mittellosen Mietern erlaubt, leerstehende Immobilien zu bewohnen, ohne dass sie zwangsgeräumt werden dürfen – vorausgesetzt, die Wohnung wird nicht für den Eigenbedarf der Besitzer benötigt. Der Vorstoß ist eine große Erleichterung, zum Beispiel für erwerbslose Familien mit Kindern, denn die staatliche Arbeitsagentur bezahlt weder die Mieten der Bezieher noch stellt sie ausreichend Geld für eine Unterkunft zur Verfügung.
Der Eigentümer bleibt in einem solchen Fall auf den Kosten für Wasser und Strom sitzen und kann die Wohnung vorübergehend nicht vermieten, auch wenn möglicherweise noch eine Hypothek zu bedienen ist. Ein Problem für die Besitzenden – aber eines, das in der Presse stark aufgebauscht und dramatisiert wurde. Nachdem über derartige Fälle wiederholt berichtet worden war, florierten die Geschäfte der Anbieter von »Desokupación«. Ihre Dienstleistung: Menschen mit allen möglichen Tricks und Mitteln, bis hin zu angedrohter und tatsächlicher Gewalt, aus den besetzten Wohnungen vertreiben. Sie machen die Drecksarbeit für die Banken, denen der Großteil dieser leerstehenden und besetzten Immobilien gehört. Oft versuchen Beschäftigte der Räumungsfirmen, den Zugang zu den Gebäuden zu blockieren – was an sich keine Straftat darstellt, wenn sie vom Eigentümer beauftragt werden. Der Übergang dieser Selbstjustiz zu illegalen Handlungen wie Erpressung oder Gewalt ist aber meist fließend.
Entsprechend hat sich die Mietervereinigung von Teneriffa (Sindicato de Inquilinas de Tenerife) in den sozialen Netzwerken zur Tötung durch die Desokupa-Ahora-Mitarbeiter geäußert: »Sie agieren außerhalb des Gesetzes, völlig straffrei, in Arbeitervierteln, verbreiten Angst, erzwingen Räumungen und setzen Gewalt als Druckmittel ein«, heißt es in der Mitteilung vom Donnerstag. Auch sei es »nicht das erste Mal, dass der Name eines Räumungsunternehmens mit Aggressivität, Drohungen, Drogenhandel oder anderen Missbräuchen in Verbindung gebracht wird«. Antifaschistische Gruppen kritisieren schon lange die Verbindungen dieser Betriebe zur rechten Szene sowie ihre zunehmende Normalisierung in der Gesellschaft. Diese ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass solche Unternehmen mitunter »Sicherheitstrainings« für Polizisten anbieten, wie junge Welt vergangenes Jahr berichtete.
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