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Aus: Ausgabe vom 06.08.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Verleumdungen zurückgewiesen

Kommunistin und Antifaschistin geehrt

Bedauern bei der CDU, Wut bei der AfD: Sophie-Berlinghof-Platz in Heidelberg eingeweiht
Von Martin Hornung
Einweihung Sophie-Berlinghof-Platz - eine Heidelberger Antifasch
Kundgebung für das Gedenken an die kommunistische Widerstandskämpferin Sophie Berlinghof in Heidelberg (undatiertes Foto)

Der Heidelberger Gemeinderat hat im Februar beschlossen, sieben Straßen wegen der Nazivergangenheit der Namensgeber umzubenennen. Darunter den Karl-Kollnig-Platz in Handschuhsheim, der am 30. Juli als Sophie-Berlinghof-Platz eingeweiht wurde.

Der Historiker Karl Kollnig (1910–2003) war während der Naziherrschaft Mitglied von NSDAP und SA (dort Rotten- und Scharführer) und Verfasser völkischer Schriften. Darin finden sich immer wieder antisemitische Passagen wie diese: »Zu Beginn des 18. Jahrhunderts nahm das Verhalten der Juden in der Stadt so aufreizende Formen an, dass sich die Beschwerden der Bürger beim Stadtrat häuften. Man braucht ja nur einen Blick in die Mannheimer Rathausprotokolle zu werfen, um zu erkennen, wieviel Unruhe und Beschwernis die Bürger durch die Juden erlitten.« Und: »Erst das III. Reich schuf neue Gemeinsamkeiten.« Von 1962 bis 1975 war Kollnig Prorektor und Rektor der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg und bis zuletzt ein eifriger Verfechter von Berufsverboten für Linke. 2017 arbeitete eine Studentin der Pädagogischen Hochschule die Nazivergangenheit von Kollnig, der noch im Jahr 2000 mit einem Empfang im Rathaus geehrt worden war, in einer Seminararbeit detailliert auf.

Sophie Berlinghof (1910–2002) stammte aus einer zehnköpfigen Familie und stand schon mit 22 Jahren im kommunistischen Widerstand gegen den Faschismus. Die Mutter war Landarbeiterin, hatte mit ihrem Mann, der bei BASF und als Lkw-Fahrer arbeitete, ein kleines Gemüsegeschäft. Er war wie Sophies späterer Mann KPD-Mitglied. Nach der Machtübergabe ließen die Nazis Sophie 1933 von der Universität relegieren und steckten sie in sogenannte »Schutzhaft«. Für die KPD war sie ab 1947 neun Jahre im Gemeinderat tätig. Auch danach war sie als soziale Ansprechpartnerin beliebt und betrieb im Stadtteil bis 1983 einen kleinen Obstladen. Oft wurde das Geschäft mit Schriftzügen wie »Die NSDAP lebt« oder Hakenkreuzen beschmiert. 1968 trat Sophie der DKP bei. Über Jahrzehnte war sie Sprecherin der VVN-BdA-Kreisvereinigung.

Die Verantwortlichen der Stadt zogen alle Register, um diese Platzwidmung zu verhindern und versuchten in unsäglicher Hufeisenmanier, aus der KPD-Mitgliedschaft eine »demokratischen Wertvorstellungen widersprechende extremistische Haltung« zu konstruieren. Die KPD habe »die Demokratie bekämpft, wie dies die NSDAP tat«. Berlinghof sei »Staatsfeindin«, für eine Benennung »ungeeignet«.

Unter anderem in einer Veranstaltung in der Volkshochschule und einem Flugblatt wurde die Hetze widerlegt. Im Gemeinderat verwahrte sich ein Großneffe von Sophie gegen die Verleumdungen seiner Verwandten; ihr Leben und Wirken müsse gewürdigt werden. In einem von zwölf Leserbriefen in der Lokalpresse wurde auf ein Zitat von Thomas Mann 1943 verwiesen: »Der Schrecken vor dem Wort Kommunismus, von dem der Faschismus so lang gelebt hat, ist die Grundtorheit unserer Epoche.«

Nach Ablehnungen im Bezirksbeirat und im Gemeinderatsausschuss wurde die Benennung nach Sophie Berlinghof am 20. Februar doch beschlossen: 22 von 42 anwesenden Gemeinderatsmitgliedern stimmten dafür: Die Linke, SPD, Grün-Alternative Liste GAL, Die PARTEI und letztlich auch die größte Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Die CDU »bedauerte« die Entscheidung, die AfD schäumte.

2006 hatten rund 90 Menschen an der Einweihung des Kollnig-Platzes teilgenommen, wobei wohl nur wenige von seiner Vergangenheit wussten – der Antrag im Bezirksbeirat und Ausschuss war 2005 »nicht öffentlich« behandelt worden. An der von der VVN-BdA initiierten Feier zu Ehren von Sophie Berlinghof am 30. Juli mit Rede- und Musikbeiträgen beteiligten sich trotz Urlaubszeit und teils stürmischem Regen 120 Menschen, darunter neun Angehörige. Zur Einweihung aufgerufen hatten auch Die Linke, SPD, Linksjugend, Bunte Linke, Friedensbündnis und DGB. Nach deren Grußworten wurde das Schild für den Sophie-Berlinghof-Platz unter Beifall enthüllt. Zum Abschluss wurde das Lied »Die Moorsoldaten« gesungen.

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