Andrang in Damaskus

Für die Studienreihe der Tübinger Informationsstelle Militarisierung hat sich Alexander Friedrich mit der Neukonfiguration »internationaler Interessen und strategischer Einflussnahmen« in Syrien nach dem Sturz des Präsidenten Baschar Al-Assad im Dezember 2024 beschäftigt – insbesondere auch damit, wie diese Interessen unter dem Deckmantel von humanitärer Hilfe und »Wiederaufbau«, der perspektivisch Milliardengeschäfte verspricht, verfolgt werden. Es gebe einen »Andrang« von Interessenten, die mit der neuen Regierung zusammenarbeiten wollen, schreibt Friedrich.
Während der geschwächte Iran in Syrien »über keine signifikanten Einflussnahmemöglichkeiten mehr« verfüge, sei die Haltung der USA, die zuletzt vor allem auf »die finanzielle und militärische Unterstützung« der Kurden im Nordosten des Landes gesetzt hätten, durch ein »wohlwollendes Desinteresse« gegenüber Damaskus gekennzeichnet. Russland sei nun insbesondere daran interessiert, die Militärbasen in Tartus und Hmeimim zu erhalten. Teil darauf bezogener Abmachungen könne, so Friedrich, gewesen sein, dass es im Februar 2025 rund 23 Millionen US-Dollar in syrischer Landeswährung (Lira) druckte und der HTS-Regierung zur Verfügung stellte.
Israel betrachte das Siedlungsgebiet der Drusen im Süden Syriens ähnlich wie die Golanhöhen als mögliche strategische Pufferzone. Es sehe die Chance, die nationale Einheit Syriens »vor allem im Süden des Landes zu untergraben«. Diese Politik werde seit dem Frühjahr von punktuellen »Hilfslieferungen« an die syrischen Drusen begleitet. Diese Hilfsaktionen »auf Basis ethnischer Zugehörigkeit verstoßen gegen gleich drei der vier grundlegenden Prinzipien der humanitären Hilfe: Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit«.
Die Türkei wiederum betreibe in ihrer »Sicherheitszone« im Norden eine humanitär bemäntelte Politik der »schleichenden Annexion«. Sie ziele auf eine politisch-demographische Transformation in dem Gebiet, das als möglicher Ausgangspunkt für Aktionen gegen die Kurden und als Zielort für die Rückkehr syrischer Geflüchteter dient. Ganze Kleinstädte samt Infrastruktur würden errichtet – ein gutes Geschäft für die türkische Bauindustrie. Da Ankara der engste Verbündete der neuen HTS-Regierung ist, sei nicht damit zu rechnen, dass Damaskus die Verletzung der syrischen Souveränität anprangert. Im Gegenteil: Noch nicht unterschrieben, aber angedacht sei ein Abkommen, das die türkische Militärpräsenz legitimiert. Damaskus habe zudem Schutzzölle auf 260 türkische Produkte aufgehoben, worunter syrische Produzenten »mittel- bis langfristig leiden werden«.
Mit dem türkischen Einfluss konkurrieren die arabischen Golfmonarchien, insbesondere Katar und Saudi-Arabien. Beide Länder haben zugesagt, die Gehälter der syrischen Staatsangestellten für mehrere Monate zu bezahlen. Katar hat die Schulden Syriens bei der Weltbank beglichen. (jW)
IMI-Studie, Nr. 3/2025, 16 Seiten, Bezug: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V., Hechinger Str. 203, 72072 Tübingen, kostenloser PDF-Download über www.imi-online.de
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (3. August 2025 um 22:18 Uhr)Zu diesem Thema der Artikel von Vijay Prashad in Englisch: https://morningstaronline.co.uk/article/israel-and-drug-war-syria Spanisch https://www.lahaine.org/mundo.php/israel-y-la-guerra-de-las-drogas
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