Gefährliche Präzedenzfälle
Von Thomas Berger
Noch immer wird bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) um den kommerziellen Tiefseebergbau gerungen. Mehrere Konzerne und Staaten stehen in den Startlöchern. Andere wollen dem Abbau in mehreren tausend Metern unter der Meeresoberfläche dauerhaft einen Riegel vorschieben.
Da innerhalb der 1994 gegründeten ISA – zuständiges Gremium auf Basis des 1982 verabschiedeten UN-Seerechtübereinkommens – bisher keine Einigung zustande kam, könnten nun einzelne Akteure ausscheren. Das winzige Nauru, einer der direkten Anrainer der umfangreichsten Tiefseelagerstätten, scheint gewillt, dem Vorstoß von US-Präsident Donald Trump zu folgen. Dieser hatte im April ein Dekret unterzeichnet, um mit eigenem Lizenzsystem den Weg für Förderprojekte freizumachen. »Ein solch einseitiger Entscheid könnte einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen«, hatte ISA-Generalsekretärin Leticia Reis de Carvalho daraufhin gewarnt.
Die UN-Behörde hat vom 21. bis 25. Juli in Kingston ihre 30. Generalversammlung abgehalten. Während einige Regierungen auf eigene Faust abbauen wollen, wächst die Front jener, die ein Moratorium anstreben, um die Tiefsee effektiv zu schützen. Gerade hat sich Kroatien als 38. Mitglied dieser Staatengruppe angeschlossen. Am zweiten Tag der Versammlung nannte Surangel Whipps Jr., Präsident von Palau, das Vorhaben »rücksichtslos«: »Die Ausbeutung des Meeresbodens ist keine Notwendigkeit – es ist eine Wahl.« Auch Vanuatu und die Salomonen sind strikt dagegen.
Ähnlich hatte sich kürzlich die Opposition auf den Cookinseln positioniert. Diese gehören wie Nauru, Tonga und Kiribati zu den Staaten, die schon über Erkundungsverträge mit Firmen verfügen. Damit sind zumindest Probeuntersuchungen in der Clarion-Clipperton-Zone, einer Bruchzone im Zentralpazifik, abgedeckt. Dort soll es die weltweit meisten Manganknollen geben. In ihnen sind neben dem namensgebenden Mineral auch riesige Mengen an Nickel, Kobalt und anderen Elementen enthalten, die für die Energiewende, insbesondere die Batterietechnik, ebenso begehrt sind wie in der Rüstungsindustrie.
Nauru, das nur 12.000 Einwohner zählt, hat seine von 2017 stammende Vereinbarung mit einer Tochter der kanadischen The Metals Company (TMC) kürzlich aktualisiert. Der finanziell angeschlagene Inselstaat will bei der ISA zwar nicht formell ausscheren, könnte aber das Trumpsche US-Lizenzverfahren nutzen. Bei der Ozeankonferenz in Nizza Mitte Juni hatte Naurus Klimaschutzminister Asterio Appi erklärt, Meeresschutz und Tiefseebergbau müssten kein Widerspruch sein.
Nauru könnte von TMC eine erste Teilzahlung von 265 Millionen US-Dollar und neben Firmenanteilen insgesamt 515 Millionen US-Dollar erhalten, erklärte der Umweltanwalt Duncan Currie vergangene Woche gegenüber der Island Times. Der Konzern habe beim Inselstaat intensive Lobbyarbeit geleistet. »Wir sind Zeugen der Gefahren, die entstehen, wenn Nationen unilateral Schritte ohne Rücksicht auf kollektive Konsequenzen unternehmen«, warnte auch Louisa Casson von Greenpeace International nach der ISA-Tagung.
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