Deutsche Schiffahrt harrt der Deals
Von Burkhard Ilschner
Der jüngste Coup von US-Präsident Donald Trump – die EU in Person ihrer Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über den Tisch zu ziehen – dürfte auch die maritime Branche treffen. Vor gerade neun Monaten stellte das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse Coopers (PwC) in seiner jährlichen Umfrage bei deutschen Schifffahrtsunternehmen fest, 78 Prozent der Befragten rechneten bei seiner erneuten Präsidentschaft mit negativen Folgen: Ihre Hauptfurcht galt einem eventuellen Handelskrieg mit China – sie ahnten noch nichts von seinem Plan, sich mit dem Welthandel insgesamt anzulegen.
Bislang haben sich weder deutsche noch europäische Schiffbauer zum Trump-Leyen-Deal geäußert – aber die Intention des US-Präsidenten ist klar: Seinen Handelsschiffbau kann er nur wiederaufbauen mit dem Know-how jener Länder, die in der Vergangenheit in dieser Branche tonangebend waren. Und auf Weltmarktführer China kann er dabei kaum setzen. Doch obwohl Trump der Branche von Anfang an sein »Great-Again«-Etikett aufgeklebt hatte, ist derzeit noch völlig unklar, ob und welche Zusagen Leyen gemacht hat.
Bekannt ist, dass die EU bis 2028 für rund 750 Milliarden US-Dollar Energie kaufen und gleichzeitig weitere 600 Milliarden in die US-Wirtschaft investieren soll. Wohin dieses Geld dann fließt, ist bislang nicht bekannt – Trumps Deals, etwa mit Japan und Südkorea, lassen Experten jedoch einiges befürchten: Tokio musste 550Milliarden US-Dollar Investitionen zusagen, ein unbestimmter Teil davon für den Schiffbau der USA; von Südkoreas 350-Milliarden-Verpflichtung gehen 150 Milliarden in die US-Werften. Und hier?
In Deutschland rechnen aktuell etliche Ökonomen mit deutlichem Rückgang wichtiger Exporte, insbesondere in die USA, und daraus resultierenden Einbußen. Sowohl die größte Reederei, Hapag-Lloyd, als auch internationale Wettbewerber registrieren schon länger sinkende Transportvolumina vor allem zwischen den USA und China – bis zu 40 Prozent – bei gleichzeitigen Zuwächsen etwa zwischen Europa und globalen Zielen abseits der USA.
Den nationalen Reederverband VDR beschäftigen momentan die neuen Drohungen der jemenitischen Ansarollah noch mehr als die mutmaßlichen Folgen Trump’scher Eskapaden. Bei Hapag-Lloyd heißt es, die Kunden seien stark verunsichert, aber kurz- und mittelfristige Auswirkungen des US-Handelskonflikts seien nicht zuverlässig vorhersagbar. Der Bremer Hafenlogistiker BLG – Deutschlands größter Automobillogistiker, wickelt knapp ein Drittel seines Umschlag mit den USA ab, – nennt den Deal der EU mit Trump »einseitig«; der »Rabauke auf dem Schulhof« habe sich durchgesetzt, kritisierte BLG-Chef Matthias Magnor im Weserkurier das Ergebnis.
Den Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) beschäftigt vor allem von der Leyens erwähnte Zusage, bis 2028 US-Energieimporte – und damit vor allem Flüssigerdgas (LNG) gemeint – für rund 750 Milliarden US-Dollar zu kaufen. Im Vergleich zu 2024, da waren es knapp 80 Milliarden, bedeute das einen jährlichen Volumenzuwachs von etwa 170 Milliarden US-Dollar. Die LNG-Importkapazitäten deutscher Seehäfen, so ZDS-Geschäftsführer Florian Keisinger, seien langfristig ausgelastet, eine Steigerung ohne erhebliche Investitionen in Hafeninfrastruktur nicht zu realisieren.
Doch berücksichtigt das zum einen noch nicht den zu erwartenden Widerstand aus der Bevölkerung. Den gibt es gegen bisherige wie geplante LNG-Terminals an der deutschen Nordseeküste, zumal es sich bei Trumps LNG im wesentlichen um Flüssigerdgas aus Frackingförderung handelt. Zum anderen erforderte eine Finanzierung weiterer LNG-Landeinfrastruktur einen haushaltspolitischen Brachialakt – denn die Seehäfen ringen bekanntlich seit langem um die schon für bisheriges Umschlagsgeschehen benötigten Gelder für Erhalt und Ausbau ihrer seit Jahrzehnten unterfinanzierten Kajen und Anlagen. Jüngst erst forderte ZDS-Präsidentin Angela Titzrath dafür drei Prozent oder 15 Milliarden Euro aus dem »Sondervermögen« des Bundes.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Mario G. aus Ostseebad Binz (4. August 2025 um 16:24 Uhr)Insgesamt ist dieser Artikel zu begrüßen. Es verwundert allerdings, dass der Autor in seinem letzten Absatz nur auf Terminals an der Nordseeküste hinweist, und das Terminal auf Deutschlands größter Insel, in mitten eines Naturschutzgebietes am Nationalpark, des Weltnaturerbes und einem touristischen Zentrum schlicht unterschlägt. Als Bewohner der Insel, als Einwohner des Ostseebad Binz, einer Gemeinde, die rechtliche Schritte gegen das Terminal betrieben hat, würde ich mir wünschen, dass auch der Autor etwas exakter arbeitet und dieses Terminal, dass durch die Hafenvertiefung des Mukraner Fährhafens, der mit Zustimmung des Schweriner Umweltministeriums zum Industriehafen umfunktioniert wurde, eine ganze Reihe von schädlichen Einflüssen generiert wurden: Eine weitere Strömungsveränderung in der Binzer Bucht, erhebliche Lärmbelastung aufgrund mit Diesel arbeitender Schiffsgeneratoren bei der Regasifizierung, aber auch Umweltbelastungen für die Ostsee aufgrund der ständig auf Rede liegenden Tanker führte. Ganz zu Schweigen von 100000 Tonnen Rohöl, die seit Monaten in einem havarierten und dann festgehaltenen Tanker in der Binzer Bucht, wenn die Herbststürme so sind, wie vor einigen Jahren, den Tourismus für immer zum Erliegen bringen können. Vielen Dank.
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