Gegründet 1947 Donnerstag, 14. August 2025, Nr. 187
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 02.08.2025, Seite 11 / Feuilleton
Jazz in der jW-Maigalerie

»Wir spielen mit ganzem Herzen«

Vater und Sohn gemeinsam auf der Bühne, die Bedeutung von Musikpreisen und weshalb ein guter Lehrer wichtig ist. Ein Gespräch mit Ro Gebhardt
Von Peter Merg und Michael Saager
11.jpg
Alec und Ro Gebhardt

Seit über einem Jahr präsentiert Hannes Zerbe in der Berliner Maigalerie der jungen Welt die Reihe »jW geht Jazz«. Am Dienstag, den 5. August 2025, tritt dort der Gitarrist, Komponist und Arrangeur Ro Gebhardt mit seinem Sohn Alec auf, sie präsentieren ihr Programm »Timetravelers«. Wir haben uns kurz mit ihm ausgetauscht. (jW)

*

Herr Gebhardt, was macht den Reiz der Reihe »jW geht Jazz« aus? Wie ist Ihre Beziehung zum Altmeister Hannes Zerbe?

Hannes Zerbe kenne ich als Ansprechpartner für Konzerte im Musikinstrumentenmuseum Berlin. Wir sind leider nie in den Genuss gekommen, miteinander zu musizieren. Aber vielleicht kommt das ja noch. Jedenfalls bin ich sehr dankbar, dass er diese Jazz-Reihen initiiert, organisiert und am Leben hält. Das ist eine große Bereicherung. Wir haben gerade gestern im Musikinstrumentenmuseum gespielt – vor vollem Haus. Das war ein sehr schöner Rahmen in einem sehr gut klingenden Raum.

Sohnemann Alec ist erst 18 und scheint ein Riesentalent zu sein – jüngster Träger des Kulturpreises der Stadt Neunkirchen. Was ist das für ein Gefühl, einen gemeinsamen Abend mit dem Sohn zu gestalten?

Alec war ganz klein, als er anfing, bei meinen Konzerten mitzuspielen. Erst waren es ganz kleine Beiträge von ein oder zwei Stücken im Rahmen meiner Solokonzerte. Das hat sich dann immer mehr ausgeweitet. Nun ist er bei etlichen Projekten von mir dabei, bei kleineren, aber auch bei größeren Sachen, zum Beispiel bei Big-Band-Projekten. Wir beide haben das nie erzwungen. Es hat sich einfach so ergeben, ist weiter- und weitergegangen. Wir haben meistens sehr viel Spaß auf der Bühne. Und können uns natürlich auch intensiver vorbereiten, weil wir ja unter einem Dach wohnen. Ich empfinde das als großes Geschenk und hätte das auch nicht erwartet. Aber es ist nun mal so gekommen, wie es ist. Ich bin sehr dankbar.

Komponieren, arrangieren, live spielen – ist Ihnen eines lieber als das andere?

Nein. Für mich sind alle drei Bereiche eine große Freude und ein großes Privileg. Dabei hat alles seine Zeit. Komponieren, produzieren und arrangieren kann ich nur in Phasen, in denen ich in dem Prozess drin bin. Das geht meistens nicht in Zeiten vieler Liveauftritte. Aber ich gestalte mein Leben schon so, dass alle drei Bereiche ihren Platz finden, dass ich sie auch ausleben kann.

Sie haben ja so einige Preise gewonnen, etwa den Deutschen Musikeditionspreis. Wie wichtig ist das Preis(un)wesen in der Jazz-Szene?

Man kann ja auch in andere Bereiche gucken, die Schauspielerei, Schriftstellerei und so weiter. Preise zu gewinnen bedeutet, Aufmerksamkeit in der Szene zu erregen. Die Leute nehmen verstärkt Notiz von einem. Das ist meist sehr wichtig, um sich plazieren zu können in dem doch recht hart umworbenen Feld des Konzertbetriebes. Der Stellenwert eines Preises hängt natürlich stark von der Kompetenz der Preisverleiher ab und von deren Renommee. Man erinnere sich an den Skandal des Echopreises. Prinzipiell halte ich die Institution der Preisverleihung für eine sinnvolle. Plazierungen sind allerdings oft subjektiv und hängen auch immer davon ab, wer sich in welchem Jahrgang auf welchen Preis bewirbt. Aber das ist nun mal so. Nerviges Geklüngel innerhalb von Lobbys gibt es selbstverständlich auch.

Eine didaktische Ader haben Sie anscheinend auch und etwa das »Jazz-Alphabet« verfasst, eine Einführung für Nachwuchsmusiker zur Jazz-Improvisation. Mit welchen Problemen müssen sich Anfänger bzw. deren Lehrer am häufigsten herumschlagen?

Es gibt mittlerweile im Internet eine Fülle von Möglichkeiten, sich pädagogisch zu bilden. Das größte Problem dabei ist natürlich, dass man in einem gewissen Stadium nicht beurteilen kann, welche Informationen gerade relevant sind und welche nicht. Es wird auch viel Fehlerhaftes vermittelt. Außerdem sollten Schüler mit ihrem Niveau entsprechenden Themen versorgt werden. Nicht jedes Thema passt zu jedem Stadium. Das kann nur ein kompetenter Lehrer beurteilen und für einen Schüler sortieren. Letztendlich setzt sich Talent durch. Das kann man nicht lernen. Manche Leute brauchen gar keinen Lehrer. In anderen Fällen kann ein Lehrer sehr viel helfen und Gutes bewirken.

Für viele Leute ist heute regelmäßiger Musikunterricht bei einem Privatlehrer aber nicht mehr finanzierbar. Vielleicht ist das auch der Grund für diesen Boom von Lehrvideos auf Youtube oder ähnlichen Plattformen. Das ist nämlich alles for free.

In der jW-Maigalerie präsentieren Sie Ihr Programm »Timetravelers«. Was meinen Sie mit »outstanding guitar music«? Was erwartet die Zuhörer?

»Outstanding« bedeutet für uns, dass wir auf einem gewissen Niveau musizieren. Das ist kein Allerweltsniveau. Das kann im Prinzip nur jemand präsentieren, der ein absoluter Vollblutmusiker ist und die Sache sehr empathisch angeht. Amateure haben gar nicht die Zeit, sich derart komplexe Dinge zu erarbeiten und umzusetzen, wie wir das teilweise tun. Das klingt vielleicht gerade ein bisschen intellektuell, aber so ist es bei weitem nicht nur. Wir spielen mit ganzem Herzen, sind voll bei der Sache.

Das Programm rekrutiert sich aus Jazz-Latin-Standards, Popsongs, klassischen Werken und Eigenkompositionen. Wir fallen auf unsere Art und Weise darüber her. Ich denke, dass wir eine sehr eigene Art haben, die Stücke als Improvisationsgrundlage zu nutzen. Das macht uns großen Spaß.

Welche drei Platten würden Sie – Plattenspieler und Stromanschluss vorausgesetzt – mit auf eine einsame Insel nehmen?

Streichquartette von Haydn

»The Incredible Jazz Guitar of Wes Montgomery« (1960) von Wes Montgomery

Und aus nostalgischen Gründen »Fruit of Passion« (2016) von Ro Gebhardt

Roland »Ro« Gebhardt, geboren 1963 in Neunkirchen an der Saar, ist ein deutscher Jazzmusiker (Gitarre, Arrangement, Komposition). Er studierte u. a. Popularmusik am Conservatoire de Musique in Luxembourg und an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, absolvierte ein Arrangement- und Kompositionsstudium Jazz an der Hochschule für Musik in Köln. Seit 1989 ist er als Musiker, Komponist und Arrangeur für verschiedene Jazz-, Latin-, Pop- und Fusion-Ensembles tätig und nahm mehrere Alben unter eigenem Namen auf. Gebhardt arbeitet als Musikpädagoge und Gastdozent an verschiedenen Hochschulen in Saarbrücken, Mainz, Köln, Nürnberg sowie an den Jazz-und-Rock-Schulen Freiburg. 1996 wurde ihm in Boston der Stephen D. Holland Award für besondere künstlerische Leistungen verliehen.

Alec & Ro Gebhardt präsentieren ihr Programm »Timetravelers« am 5.8., 19.30 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr) in der Maigalerie der jungen Welt, Torstraße 6, 10119 Berlin. Eintritt: 10 Euro (erm. 5 Euro), Anmeldung erbeten unter: 0 30/53 63 55- 54 oder maigalerie@jungewelt.de

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Präsentiert die Standards neu: Das Trio Catfish Row
    03.03.2025

    Ohne doppelten Boden

    Das Trio Catfish Row spielt am Faschingsdienstag in Berlin in der jW-Maigalerie
  • 06.12.2021

    Eh auf Trab

    Eingespieltes Duo: Vokalakrobat Michael Schiefel und Vibraphonkoryphäe David Friedman live im Duett
  • 08.02.2012

    Heaven can wait

    Banausen, hergehört: Das war das 5. Jazzfest der Hochschule für Musik in Frankfurt am Main

Mehr aus: Feuilleton

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro