»Verteidigung« mit Palantir
Von Jörg Kronauer
Mehrere Bundesländer nutzen sie schon, weitere wollen dies tun, und nun denkt auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) darüber nach, sie zu erwerben: die Software des US-Konzerns Palantir. Das Unternehmen, 2003 mit Unterstützung der CIA-Investmentfirma In-Q-Tel gegründet, hatte sich zunächst das Ziel gesetzt, durch die Analyse riesiger Datenmengen dschihadistische Terroristen aufspüren zu können, um Anschläge zu verhindern. Inzwischen wird die Software auch von Polizeibehörden im ganz normalen Alltag genutzt. Palantir hat zwar ebenfalls Programme entwickelt, die in der Privatwirtschaft verwendet werden, etwa solche, die das Kaufverhalten spezieller Personengruppen vorherzusagen suchen. Die Firma verdient ihr Geld dennoch weiterhin mehrheitlich mit Aufträgen, die sie von staatlichen Stellen erhält. Das sind überwiegend US-Ministerien und -Behörden, unter ihnen etwa das Pentagon und unverändert die CIA, zunehmend aber auch Behörden in anderen Ländern – in Deutschland etwa die Polizei.
Die Tatsache, dass Palantir auch in der Bundesrepublik zunehmend Verbreitung findet, löst bei so manchem Unbehagen aus. Nicht nur, weil es eher naiv wäre, anzunehmen, eine von der CIA mitgegründete und lange von Aufträgen der US-Geheimdienste abhängige Firma könnte heute irgendwie unabhängig von ihnen operieren. Auch nicht nur, weil ihr Mitgründer Peter Thiel immer noch Anteile und Einfluss bei ihr hat: Der Multimilliardär und erklärte Antidemokrat ist Mentor von US-Vizepräsident J. D. Vance. Dass die FAZ ihn Anfang dieser Woche sprachlich zum diskutablen »Demokratiekritiker« adelte, sagt eine Menge über die Pläne im deutschen Establishment aus, dem CIA-nahen, von Personen wie Thiel kontrollierten Unternehmen die Tore in die Bundesrepublik zu öffnen. Kritik an Palantir gibt es auch, weil sich mit der Software des Unternehmens riesige Datenbanken unterschiedlichsten Ursprungs zusammenführen und im Verbund auswerten lassen. In den USA etwa kombinierte Palantir die Datenbanken von CIA und FBI. Und in Deutschland – was hat Dobrindt vor?
In den USA wird die Software von der Trump-Administration nicht nur genutzt, um die Steuerbehörden und die Polizeiarbeit technologisch aufzurüsten. Darüber hinaus setzen die Behörden sie ein, um Jagd auf Migranten zu machen; Palantir ermöglicht dort mittlerweile ein Echtzeittracking, um Migranten überall aufzuspüren, sie unmittelbar festzunehmen und sie abzuschieben. Gar keine Frage: Dies ließe sich ohne weiteres auch auf die Jagd nach Oppositionellen übertragen. Zu den Staaten, die schon jetzt Palantir-Software erhalten haben, gehört die Ukraine; deren Präsident Wolodimir Selenskij berichtete später, Palantir-CEO Alex Karp sei nach Beginn des Kriegs als erster Chef eines großen westlichen Unternehmens nach Kiew gereist. Seitdem nutzen die ukrainischen Streitkräfte bei ihrer Kriegführung die Technologie von Palantir. Auch die israelischen Streitkräfte nutzen dessen Software, um in Gaza ihr sogenanntes Echtzeittargeting zu optimieren. Im vergangenen Jahr schloss der Konzern mit Israels Verteidigungsministerium sogar eine »strategische Partnerschaft«.
Alles Zufall? Natürlich nicht. Karp hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er mit seiner Technologie die USA im besonderen und darüber hinaus den Westen insgesamt stark machen will. »Wir wollen und brauchen es, dass dieses Land das stärkste, das wichtigste Land in der Welt ist«, gab er kürzlich laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP auf einer Konferenz in Palo Alto zu Protokoll. In einem Buch, das er vor kurzem publiziert hat, heißt es, die Eliten der westlichen Staaten hätten die Pflicht, »sich an der Verteidigung der Nation zu beteiligen« und darüber hinaus »den beständigen, aber fragilen geopolitischen Vorteil gegenüber ihren Gegnern zu bewahren«, den »die USA und ihre Verbündeten in Europa und anderswo bislang noch haben«. In den Dienst dieses Ziels stellt Karp auch die von ihm mitgegründete Firma Palantir. Dass er erklärtermaßen weder Russland noch China jemals mit der Software beliefert hat, versteht sich von selbst.
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