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Aus: Ausgabe vom 02.08.2025, Seite 6 / Ausland
Balkankriege

Das gefeierte Massaker

Militärparade: Kroatien erinnert an 30. Jahrestag der »Operation Sturm« gegen die serbische Krajina
Von Slavko Stilinović
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Zum 30. Jahrestag der mörderischen Krajina-Offensive mobilisierte Kroatiens Militär alles, was es zu bieten hat (Zagreb, 31.7.2025)

In Anwesenheit der höchsten Vertreter des Staates und zahlreicher internationaler Gäste hat am Donnerstag in Zagreb der vierte offizielle Militärmarsch der kroatischen Armee stattgefunden. Anlass war der 30. Jahrestag der Militäroperation »Oluja« (Sturm) zur »Rückgewinnung« kroatischer Gebiete im Jahr 1995. Der Marsch präsentierte Hunderte Militärfahrzeuge, Drohnen, Hubschrauber, französische »Rafale«‑Kampfjets sowie Wasserlöschflugzeuge. Erstmals nahmen auch Einheiten aus Partnerstaaten wie Albanien, Litauen, Luxemburg, Polen, Portugal, Slowakei, Ungarn, Großbritannien und den USA am Marsch teil.

Im August 1990 war es in Kroatien im Zuge des von der BRD mit ihrer im Alleingang vorgenommenen Anerkennung der Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens maßgeblich beförderten »Zerfalls Jugoslawiens« zu einem Aufstand gekommen, der als »Baumstammrevolution« bekannt ist. Er konzentrierte sich auf mehrheitlich von Serben bewohnte Gebiete. Diese erklärten sich später zur Republik Serbische Krajina (RSK). Sie wollten den neu entstehenden kroatischen Nationalstaat nicht akzeptieren, da sie im 1941 nach dem Einmarsch der Naziwehrmacht gegründeten Vasallenstaat »Unabhängiges Kroatien« gemeinsam mit Juden und Roma einem Völkermord der faschistischen Ustascha zum Opfer gefallen waren. Die Sorge der Serben war nicht unbegründet, denn Ideologie und Symbolik der Ustascha erlebten unter Franjo Tuđman, kroatischer Präsident ab 1990, eine Renaissance.

Nachdem die RSK ihre Absicht erklärt hatte, sich mit Serbien zu vereinen, betrachtete die kroatische Regierung sie als abtrünnigen Landesteil. Bis März 1991 eskalierte der Konflikt und führte zum kroatischen Unabhängigkeitskrieg. Kroatien erklärte im Juni 1991 seine Unabhängigkeit. Nach einem dreimonatigen Moratorium wurden am 8. Oktober 1991 sowohl die Unabhängigkeit Kroatiens als auch die Abspaltung der RSK wirksam, letztere wurde aber international nie, nicht einmal von Serbien, anerkannt. Immer wieder kam es zu Gefechten zwischen den Streitkräften des neuen kroatischen Staats und der RSK, die von der fortbestehenden jugoslawischen Armee unterstützt wurde. Ein 1992 von der UNO vermittelter Waffenstillstand änderte daran nichts, auch weitere Vermittlungsversuche scheiterten.

Im August 1995 startete Kroatien schließlich die Operation »Sturm« und eroberte innerhalb von vier Tagen den Großteil der RSK. Der Krieg war damit faktisch beendet. Der 5. August gilt in Kroatien seither als nationaler Feiertag. Die Militäroperation löste aber nicht nur nationalistischen Jubel in Kroatien aus. Laut UN-Schätzungen mussten zwischen 150.000 und 200.000 Serben aus der Krajina fliehen, Dörfer wurden geplündert und zerstört. Über die Zahl der Getöteten schwanken die Angaben zwischen wenigen hundert und mehr als tausend. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) stellte fest, dass die kroatischen Truppen zahlreiche Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen wie willkürliche Erschießungen verübten, auch wenn die Generäle Ante Gotovina und Mladen Markač später freigesprochen wurden und das Gericht – in bezeichnendem Unterschied zum Vorgehen der bosnischen Serben in Srebrenica – kein Völkermordszenario erkennen wollte.

Während des Militärmarsches am Donnerstag kam es zu einem Zwischenfall: Vier Personen sprangen über eine Absperrung auf die Fahrbahn, auf der Militärfahrzeuge vorbeifuhren, und legten sich mit blutrot gefärbten T‑Shirts auf die Straße. Begleitsoldaten reagierten sofort, stoppten die Aktivisten und führten sie von der Route. Kurz darauf wurden sie von der Polizei festgenommen.

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