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Aus: Ausgabe vom 31.07.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Solidarisch

Zu jW vom 28.7.: »Entscheidend eingewirkt«

Wer die Berichterstattung vom Berliner CSD zum Beispiel bei Welt-TV, einem Medium des Springer-Konzerns, verfolgte, dem sollte am Ende des Berichts ein Plakat aufgefallen sein, auf dem stand: »Free Berlin from Hamas«. Berlin – ein Zentrum der Hamas? Oder nur eines der Zentren der Palästina-Solidarität? Ich erkläre mich hier in aller Öffentlichkeit solidarisch mit dem palästinensischen Volk und dem Volk Israels, aber nicht mit der israelischen Regierung. Der Genozid in Gaza, im Westjordanland, auf den Golanhöhen muss weiterhin international geächtet werden. Südafrika und Nicaragua haben ihre Klagen beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht und werden international unterstützt. Deutschland als größter »Verteidiger der Menschenrechte« in Europa verweigert sich. Ich hoffe sehr, dass Frankreichs Präsident Macron im September dieses Jahres sein Wort hält und Palästina als Staat im Namen des französischen Volkes vor der UN-Vollversammlung anerkennt. Es wäre ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Der große Schritt wäre das Verbot von Waffenexporten nach Israel, die deutliche Hervorhebung des internationalen Völkerrechts, das Hunger als Waffe verbietet, und das Verbot der Verhinderung humanitärer Hilfe in Krisengebieten. »Nie wieder« ist jetzt – das gilt auch für das palästinensische Volk …

Andreas Eichner, Schönefeld

Windig

Zu jW vom 18.7.: »Staatsschutzfall des Tages: BSW«

Ob jemand Terrorist oder Freiheitskämpfer ist, dafür gibt es leider keine 100prozentig klaren Kriterien. Und so wird diese Frage eben oft nach politischer Opportunität entschieden. Das gilt für die UÇK im Kosovo 1999 genauso wie für die Aufständischen in Libyen 2011 oder eben für die Donbassrepubliken Donezk (DVR) und Lugansk (LVR), die 2014 den verfassungswidrigen Putsch in Kiew nicht akzeptiert hatten. Laut ARD-»Monitor« zählte die OSZE im März 1999 vor dem Angriff der NATO-Staaten 39 Todesopfer im Kosovo. Das ist eine Zahl, die von den Massakern rund um den Maidan, in Odessa und Mariupol 2014 deutlich übertroffen wurde. Dass die Sezession der DVR und LVR dennoch anders gewertet wird als die Sezession des Kosovo, riecht sehr nach Doppelmoral. DVR und LVR sind in Deutschland getreu der Kiewer Putschistendiktion als Terrororganisationen klassifiziert. Das muss man beachten und darf DVR und LVR nicht unterstützen. Auf die Windigkeit der Bewertung aufmerksam zu machen ist aber ethische Pflicht. Denn Völkerrecht gilt in Deutschland wie Bundesrecht, und das Messen mit zweierlei Maß ist nun mal ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes.

Zwischen dem Ideal des Grundgesetzes und dessen Verzerrung durch die politische Praxis sauber durchzulavieren ist auch mit den Fähigkeiten eines Odysseus kaum zu bewerkstelligen, der bekanntlich keinen rundum schadensfreien Weg zwischen Skylla und Charybdis fand. Solidaritätsadressen an rundum gewaltfreie Aktivisten wie Alina Lipp und die »Friedensbrücke« sind für mich da eher lässliche Sünden, und eine Unterstützung für das gewaltsame Vorgehen Kiews gegen den Donbass ist für mich als Freund der Gewaltfreiheit deutlich problematischer. Warum konnte man die Menschen im Donbass nicht einfach selbst über ihre Zukunft entscheiden lassen? BSW bzw. Wagenknecht fordert das. Und das hat unverändert meine volle Unterstützung.

Ulf Gerkan, Hannover

Bescheiden

Zu jW vom 28.7.: »Ein ziemlich faules Volk«

Und dann wollen diese faulen Säcke auch noch bis ins hohe Alter fette Renten beziehen. Eine Unverschämtheit, diese Anspruchshaltung! Dabei leben ihnen die Politker*innen doch ständig und in aller Bescheidenheit vor, mit wie wenig »leistungslosem Grundeinkommen« man das ganze Leben hindurch gut auskommen kann.

Reinhard Hopp, Berlin

Fleißig

Zu jW vom 24.7.: »DGB-Umfrage: Achtstundentag beliebt«

Die DGB-Umfrage ist vermutlich eine Reaktion auf den im Koalitionsvertrag der Merz/Pistorius-Regierung vereinbarten Angriff auf den gesetzlichen Achtstundentag. »98 Prozent wollen demnach nicht länger als zehn Stunden pro Tag arbeiten«. Muss der DGB erst die Beschäftigten fragen, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass es nicht gut ist, länger als zehn Stunden zu arbeiten? Warum ist bei den Befragten der »Achtstundentag beliebt«? Wurde etwa die Frage nach einem Sieben-Stunden-Normalarbeitstag bei 35 Wochenstunden vom Sozialpartner DGB gar nicht gestellt? Dabei wäre dieses Thema 107 Jahre nach der gesetzlichen Festlegung des Achtstundentags und 40 Jahre nach dem Einstieg in die 35-Stunden-Woche längst fällig.

»Bei den fleißigen Ameisen herrscht eine sonderbare Sitte: Die Ameise, die in acht Tagen am meisten gearbeitet hat, wird am neunten Tage feierlich gebraten und von den Ameisen ihres Stammes gemeinschaftlich verspeist. Die Ameisen glauben, dass durch dieses Gericht der Arbeitsgeist der Fleißigsten auf die Essenden übergehe. Und es ist für eine Ameise eine ganz außerordentliche Ehre, feierlich am neunten Tage gebraten und verspeist zu werden. Aber trotzdem ist es einmal vorgekommen, dass eine der fleißigsten Ameisen kurz vorm Gebratenwerden noch folgende kleine Rede hielt: ›Meine lieben Brüder und Schwestern! Es ist mir ja ungemein angenehm, dass ihr mich so ehren wollt! Ich muss euch aber gestehen, dass es mir noch angenehmer sein würde, wenn ich nicht die Fleißigste gewesen wäre. Man lebt doch nicht bloß, um sich totzuschuften!‹ – ›Wozu denn?‹ schrien die Ameisen ihres Stammes – und sie schmissen die große Rednerin schnell in die Bratpfanne – sonst hätte dieses dumme Tier noch mehr geredet.« Paul Scheerbart (1863–1915): »Die gebratene Ameise«.

Franz Schoierer, per E-Mail

Muss der DGB erst die Beschäftigten fragen, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass es nicht gut ist, länger als zehn Stunden zu arbeiten?

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