453.000 Hektar Amazonas versteigert
Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
Vergangenen Mai hat die brasilianische Regierung 453.000 Hektar Regenwald im Bundesstaat Amazonas versteigert. Drei Unternehmen haben die Konzession für den selektiven Holzeinschlag und zur Ausbeutung der Nichtholzwaldprodukte wie Palmherzen von 80 Prozent des noch intakten 570.186,82 Hektar großen Jatuarana-Staatswalds gewonnen. 176.000 Hektar gingen an das Holzunternehmen Oc Prime Comércio e Industrialização de Madeiras. 194.500 Hektar sicherte sich die Firma E. Eduardo da Silva Ltda und 82.700 Hektar die Brasil Tropical Pisos Ltda.
Die Befugnisse sollen der Staatskasse jährlich rund fünf Millionen Euro einbringen. Laut Umweltministerium würden Umweltschutz, Regionalentwicklung und Schaffung von Arbeitsplätzen im Amazonasgebiet verbunden. Die »Privatisierung« des Staatswalds Jatuarana ist Teil der Strategie der brasilianischen Forstverwaltung zur Ausweitung der Waldkonzessionen in Amazonien auf insgesamt fünf Millionen Hektar bis 2027.
»Die Konzession im Jatuarana-Staatswald ist ein Beispiel für eine effiziente Politik, die auf wirtschaftlichen Instrumenten basiert, die den stehenden Wald wertschätzen, Biodiversität schützen und fördern und Wohlstand durch Klima- und soziale Gerechtigkeit schaffen«, erklärte Marina Silva, Bundesministerin für Umwelt und Klimawandel.
Dass sich diese hehren Erwartungen der Umweltministerin erfüllen werden, ist allerdings eher zu bezweifeln. Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte deuten vielmehr auf eine weitere deutliche Zunahme der Walddegradierung durch den sogenannten nachhaltigen oder selektiven Holzeinschlag hin. Die Geschichte der Waldkonzessionen in Brasilien ist geprägt von gebrochenen Firmenversprechen, mangelnder Kontrolle und Raubbau unter dem Deckmantel der Legalität.
»Die nachhaltige Holznutzung im Amazonas ist eine Fiktion«, meint Philip Martin Fearnside, leitender Klima- und Tropenwaldforscher des Forschungsinstituts INPA in Manaus. In der Theorie könne man durchaus kleine Mengen Holz entfernen und dem Regenwald ermöglichen, sich zu erholen. Aber in der Praxis geschehe dies nicht. Tatsächlich bescheinigen wissenschaftliche Studien und investigative Journalisten, dass der selektive Holzeinschlag mit dafür verantwortlich ist, dass das größte Regenwaldgebiet der Erde in weiten Teilen degradiert ist und vor dem Umkippen steht.
Dabei ist die Rodung einzelner, auf dem nationalen wie internationalen Tropenholzmarkt nachgefragter Baumarten nur ein Faktor der Schädigungskette. Wie bei der klassischen Forstwirtschaft braucht es Schneisen, Forstwege und Straßen zum An- und Abtransport, Holzlager, Hafenanlagen und Holzfällercamps. Das so zerstückelte und durchlöcherte Kronendach des Regenwaldes ist durchlässiger für die Sonneneinstrahlung und anfälliger für Dürren und Waldbrände. Der Einsatz schwerer Maschinen verdichtet den Boden, was den oberirdischen Regenwasserabfluss fördert, während gleichzeitig das Straßen- und Wegenetz die natürlichen Verläufe von Bächen und Flüssen behindert.
Fearnside: »Die selektive Holznutzung erhöht die Wahrscheinlichkeit von Waldbränden erheblich und macht die Feuer zudem noch zerstörender, wenn sie auftreten. Der Holzeinschlag ist der erste Eingriff, der einen Teufelskreis der Zerstörung in Gang setzt, wobei wiederholte Brände zur gänzlichen Vernichtung des Waldes führen können.« Auch der brasilianische Klimaforscher Carlos Nobre sieht das so. Der selektive Holzeinschlag von Regenwäldern sei kein Weg für Amazonien.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (30. Juli 2025 um 21:05 Uhr)Für welchen Wert wurden diese Wälder versteigert? Handelt es sich bei den jährlichen Einnahmen von fünf Millionen Euro um einen Druckfehler? Denn solch ein Betrag ist lächerlich.
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