Falscher Eindruck
Von Henning von Stoltzenberg
Für den 5. September 2022 hatte die Partei Die Linke in Leipzig zu einer Demo gegen die Energie- und Sozialpolitik der Ampelregierung aufgerufen, gegen die verschiedene Medien und auch »linke« Gegner dieser Mobilisierung im Vorfeld den Vorwurf erhoben, hier drohe eine »Querfront«. Wie bestellt tauchte die faschistische Kleinpartei Freie Sachsen auf und meldete direkt nebenan eine eigene Versammlung an. Sie bewarb diese Veranstaltung so, dass der Eindruck entstand, der Leipziger Linke-MdB Sören Pellmann werde daran teilnehmen.
Der Bundesgerichtshof verhandelte am Dienstag darüber, ob Pellmann, inzwischen Kofraktionschef im Bundestag, Anspruch auf eine Geldentschädigung hat, weil sein Name in dem Aufruf der rechten Partei genannt wurde. Pellmann kritisiert, die Partei habe fälschlich den Eindruck einer gemeinsamen Demonstration erweckt und dadurch seinen Ruf und seine Glaubwürdigkeit als Politiker beeinträchtigt.
Das irreführende Motto der rechten Versammlung lautete »Freie Sachsen unterstützen den Montagsprotest von Sören Pellmann und der Linken – gemeinsam gegen die da oben«. Auf der Messengerplattform Telegram bewarb die Partei den Protest unter anderem dann auch mit der Teilnahme von Pellmann. Der Beitrag musste kurz darauf gelöscht werden, weil Pellmann am Landgericht Leipzig eine Unterlassungsverfügung erwirkte.
Vor Gericht wollte der Fraktionschef nun eine Geldentschädigung durchsetzen. Als Politiker sei es für ihn wichtig, nicht mit Kräften aus dem entgegengesetzten politischen Lager in Verbindung gebracht zu werden, so seine Argumentation. Allein der Anschein, er paktiere mit Rechten, sei für seine Glaubwürdigkeit verheerend. Das Landgericht Leipzig hatte der Klage im Dezember 2023 zunächst stattgegeben und verurteilte die Freien Sachsen zu einer Zahlung in Höhe von 10.000 Euro.
Das Urteil wurde wenige Monate später allerdings vom Oberlandesgericht Dresden kassiert. Zwar sahen die dortigen Richterinnen und Richter in dem Aufruf der Freien Sachsen ebenfalls einen rechtswidrigen Eingriff in Pellmanns Persönlichkeitsrecht. Doch sei der Eingriff nicht schwerwiegend genug, um eine Geldentschädigung zu rechtfertigen, befanden sie und wiesen die Klage ab. Pellmann zog darauhin vor den BGH. Der wies die Revision am Dienstag allerdings ab, da der Aufruf unterschiedliche Deutungen zulasse. Pellmanns Anwalt sagte nach der Verhandlung, es habe ihn sehr überrascht, dass das Gericht verschiedene Deutungsmöglichkeiten der »ganz klaren« Bewerbung einer vermeintlich gemeinsamen Veranstaltung gesehen habe. Pellmann erklärte, in dem Verfahren sei »das Problem politischer Vereinnahmung von Personen des öffentlichen Lebens durch Neonazis« verhandelt worden. Es sei bedauerlich, dass der BGH die Chance verpasst habe, »den Schutz vor Desinformation und politischer Vereinnahmung durch Rechtsextreme« zu stärken.
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