Australischer Balanceakt
Von Luca Schäfer
Der Verlierer gibt den Anheizer: In seiner Rede im US-Kongress warnte der geschasste australische Premierminister Scott Morrison letzte Woche vor einem nachlassenden Bewusstsein dafür, dass China eine »potentielle Gefahr« darstelle. Er bezog sich dabei auf eine Meinungsumfrage des Lowy Institute aus dem Jahr 2024, wonach 43 Prozent der Befragten das Verhältnis zwischen Australien und China als »ziemlich gut« beschrieben. Mit dem Alarmismus rennt der als Hardliner bekannte »ScoMo« in Washington offene Türen ein. So sollten die USA enger mit ihren Quad-Verbündeten wie Australien und Japan zusammenarbeiten, um eine Lieferkette für kritische Mineralien und seltene Erden aufzubauen. Die Rohstoffe werden auch für die atomgetriebenen U-Boote gebraucht, die Australien im Rahmen des AUKUS-Abkommens von den Vereinigten Staaten kauft. Damit positioniert sich der konservative Politiker in der aktuellen australischen Debatte erwartbar rechts außen und auf Kriegskurs. Schon in seiner Zeit als Premierminister stand er für eine enge Westbindung. Das Verhältnis zu China kühlte merklich ab, wozu auch die australische Anschuldigung in bezug auf Ursprung und Verbreitung des Coronavirus oder die Einhaltung von Menschenrechten in China beitrugen.
Morrison artikuliert die Interessen einer bestimmten Fraktion, die eine enge Westbindung fordert. Dem steht eine Fraktion gegenüber, die gute Handelsgeschäfte mit China favorisiert. So sorgte die Reise von Ministerpräsident Anthony Albanese Mitte Juli nach Beijing für tiefgreifende Handelserleichterungen, Investitionen und Kooperationen u. a. im Bereich KI und erneuerbare Energien sowie einen verbesserten Marktzugang. Bereits zuvor waren Handelshemmnisse beseitigt worden. Sicher ist: Von einem australischen »De-Risking« ist noch wenig zu spüren. Über die Jahre ist China für Australien zum wichtigsten Lieferant und Abnehmer geworden.
Bisher beruhte Canberras Imperialismusmodell auf Sicherheitsgarantien durch die USA und Handelsbeziehungen zu China. Aber im entbrannten »Great Game« um kritische Rohstoffe wird sich das Land entscheiden müssen: entweder chinesische Investoren oder US-Absatzmarkt. Neben China ist Australien mit 37 Prozent der Lithium- oder 31 Prozent der Bauxitproduktion ein »sicherer und verlässlicher Partner« des Westens. Das wird nur relevanter, wenn man bedenkt, dass China weltweit einer der führenden Produzenten von 30 der 50 wichtigsten Mineralien ist und selbst Anteile an australischen Produktionsstätten wie der Greenbushes-Lithiummine (zu 26 Prozent im Besitz des chinesischen Konzerns Tianqi Lithium Energy) hält. US-Gesetze sehen vor, dass die USA nur Rohstoffe importieren dürfen, die zu maximal 25 Prozent aus chinesischem Besitz stammen.
Der deutsche Thinktank SWP analysierte die australische Politik als Balanceakt zwischen »Bündnis- und Chinapolitik«. Dieser Status quo bröckelt. Auf dem Minenfeld der Geopolitik droht das seit 1991 nahezu ungebremste australische Wirtschaftswachstum ins Straucheln zu geraten. Erhöht Trump den Druck, muss sich Canberra festlegen. Ein Deal mit Beijing würde den Verzicht auf sicherheitsrelevante F-35-Bauteile von Boeing bedeuten und zu einem Schrumpfen der australischen Direktinvestitionen führen, von denen derzeit 31 Prozent in die größte Empfängernation, die USA, fließen. Beijing reagierte bisher besonnen, aber hat Canberra bereits gemahnt. Als unmittelbare Reaktion auf die gemeinsamen Lieferkettenplanungen von USA und Australien verschärfte die Volksrepublik die Exportkontrollen für kritische Rohstoffe.
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