Äthiopien will Eritreas Hafen Assab
Von Ina Sembdner
Es ist beunruhigend, was vom Horn von Afrika an die Öffentlichkeit dringt: Am Sonntag vermeldete der Ethiopian Media Service (mit Sitz in Virginia/USA), dass Äthiopien Truppen an der Grenze zu Eritrea in Stellung bringen lässt – Warnungen vor einem Krieg werden lauter. Angesichts des sich bereits seit Monaten hochschaukelnden rhetorischen Schlagabtauschs sind diese Informationen allerdings mit Vorsicht zu genießen.
Noch am 3. Juli hatte Präsident Abiy Ahmed den Versuch unternommen, die Lage zu entschärfen, indem er im Parlament davon sprach, dass sein Land sich den Zugang zum Meer auf »friedliche« Weise sichern wolle. Man habe nicht die Absicht, sich auf irgendeine Form von Konflikt einzulassen. Allerdings betonte er: »Sollte es zu einer Bedrohung unseres Friedens kommen, ist Äthiopien in der Lage, sich zu verteidigen – und das wird es auch.« Es sei ein Land »mit einer großen Wirtschaft, einer bedeutenden Bevölkerung und einer modernen Armee«. Im Oktober 2023 hatte Ahmed die aktuelle Eskalation angeheizt, als er erklärte, eritreische Häfen »auf legalem Wege, wenn möglich, und militärisch, wenn nötig« zu übernehmen.
In der Zwischenzeit ist die Propagandamaschine heißgelaufen. Im März konstatierte das Portal Eritrea Digest, dass kein Tag vergehe, an dem in Äthiopien nicht ein »historischer Anspruch« auf Assab erhoben würde. Bis zur in drei Jahrzehnten erkämpften Unabhängigkeit Eritreas 1993 war die Stadt neben Massawa einer der beiden äthiopischen Häfen am Roten Meer. Dabei sei genau das der Kern des Friedensabkommens 2018 gewesen. Damals habe Äthiopien erstmals seit Einrichtung einer Grenzkommission unter UN-Aufsicht im Jahr 2000 zugesagt, deren Urteil »vollständig zu akzeptieren und umzusetzen«. Es besagt unter anderem, dass Assab zu Eritrea gehört und Äthiopiens Grenze 60 Kilometer von der Küste entfernt ist. Allerdings sei das Mantra »Assab ist äthiopisch« allgegenwärtig, seit Ahmeds Ansage, dass der Zugang seines Binnenlandes zum Meer »existentiell« sei. Gegenüber dem äthiopischen Sender EBC beklagte Ahmed im Juni erneut den Verlust des Hafens, wie das somalische Portal Shabellemedia berichtete, und wies darauf hin, dass sein Land schon seit mehr als drei Jahrzehnten keinen Zugang zum Meer mehr habe – der ihm aber zu ökonomischen Zwecken von eritreischer Seite gar nicht verwehrt wird.
Selbst der südafrikanische Journalist und Experte für das Horn von Afrika, Martin Plaut, der in den vergangenen Jahren vor allem mit antieritreischen Texten auffiel, teilte am 8. Juli auf seiner Webseite einen Beitrag des Somali Wire Team, in dem es heißt, dass die »kriegslüsterne Sprache« am auffälligsten bei der Regierung in Addis Abeba sei. Verwiesen wird unter anderem auf einen Brief des Außenministers Gedion Timotheus an seinen US-Amtskollegen Marco Rubio vom 20. Juni. Darin wirft er Eritrea »wiederholte Provokationen« vor, »Verstöße gegen Äthiopiens Souveränität und territoriale Integrität«. Man zähle auf die Unterstützung der USA, um »Eritreas Provokation und Aggression« zu beenden. Der ebenfalls langjährige Beobachter des Horns von Afrika vom Center for Strategic and International Studies (CSIS), Cameron Hudson, kommentierte auf X: Der Brief »scheint der jüngste Versuch von Addis zu sein, sich auf einen erneuten Konflikt mit Eritrea vorzubereiten«.
Auch eine Reaktion aus Asmara folgte umgehend. Das Informationsministerium verurteilte am 26. Juni, dass »das äthiopische Regime« seine diplomatischen Kampagnen verstärkt habe, neben dem Brief an Rubio seien auch der UN-Generalsekretär António Guterres sowie mehrere Staats- und Regierungschefs angeschrieben worden. Dieser »durchsichtige Trick« ziele darauf ab, »die internationale Gemeinschaft zu täuschen und so Unterstützung für die seit langem geplante Kriegführung zu gewinnen«. Die angebliche Verletzung der äthiopischen Souveränität und territorialen Integrität durch Eritrea sei »eine absurde Lüge«.
Ergänzt wurde das durch Aussagen von Präsident Isaias Afewerki, der in einem am Wochenende auf Englisch veröffentlichten Interview mit einem lokalen Sender erklärt hat: »Die Vorbereitungen für den Krieg sind offen und unverhohlen sichtbar. (…) Eine Beschwerde beim UN-Generalsekretär, in der Eritrea beschuldigt wird, einen Konflikt zu provozieren, ist ein doppelzüngiger und beschämender Akt, der dazu dient, den tatsächlich erklärten Krieg zu vertuschen.«
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