Karrieristin droht Fußfessel
Von Bernard Schmid, Paris
Ihr früherer Vorgesetzter, Exstaatspräsident Nicolas Sarkozy, wurde vor kurzem seine elektronische Fußfessel – zu deren Tragen er 2023 wegen Richterbestechung verurteilt worden war – wieder los. Denn seitdem der nunmehrige Wirtschaftsanwalt die 70 erreicht hat, konnte man diese dem armen Greis wohl nicht mehr länger zumuten. Wird aber seine frühere Justizministerin und Anwaltskollegin Rachida Dati in näherer Zukunft vielleicht eine solche Fußfessel bei der Ausübung ihres Amts als Pariser regierende Bürgermeisterin tragen müssen?
Noch ist es viel zu früh, diese Frage zu beantworten. Denn erstens wurde Dati bislang nicht verurteilt, sondern die französische Justiz hat lediglich vergangene Woche definitiv beschlossen, dass ihr und ihrem Mitangeklagten, dem früheren Renault-Chef Carlos Ghosn, der Prozess vor einer Strafkammer gemacht wird. Das genaue Datum der Prozesseröffnung wird am 29. September festgelegt werden. Ghosn allerdings bleibt vorsorglich lieber im Libanon und hält sich tunlichst von französischen Behörden fern, ebenso übrigens wie von denen Japans, denen er 2019 buchstäblich in einem Koffer entwischte, als er bei einem laufenden Korruptionsverfahren gerade auf Kaution freigekommen war.
Zum zweiten sitzt Dati noch nicht im Pariser Rathaus auf dem Chefsessel, denn die Kommunalwahl dort – und in ganz Frankreich – wird erst im März kommenden Jahres stattfinden. Derzeit regiert noch die Sozialdemokratin Anne Hidalgo die Hauptstadt, die aber nicht wieder antreten wird – ihre Partei ist zerstritten über die Nachfolgefrage. Rachida Dati wiederum ist derzeit konservative Bezirksbürgermeisterin im als vornehm geltenden siebten Pariser Arrondissement sowie Kulturministerin unter Emmanuel Macron und François Bayrou.
Am Montag abend beschloss Dati nun, dass sie es im kommenden Frühjahr wissen will und zur Wahl für das Pariser Zentralrathaus kandidiert. Dummerweise wartete sie nicht ab, ob die Partei, deren Mitgliedsausweis sie besitzt – die konservative halb Regierungs-, halb Oppositionspartei Les Républicains (LR) –, auch entscheiden würde, sie als Kandidatin aufzustellen. Zwar erklärte Dati dazu, dass ihre Bewerbung stehe, was immer auch komme. Prompt desavouierte die LR-Parteispitze sie aber, indem sie gleich einen anderen erklärten Interessenten als ihren Kandidaten nominierte, den früheren EU-Kommissar Michel Barnier. Dieser war zuletzt auch mal Premierminister, wenngleich ein glückloser; seine Regierungszeit unter den Fittichen Emmanuel Macrons währte gerade einmal zwei Monate, bevor ein parlamentarisches Misstrauensvotum ihn Anfang Dezember 2024 stürzte.
Was aber will die Justiz von Dati? Ihr wird vorgeworfen, kurz nach ihrer Amtszeit als Justizministerin Sarkozys von 2007 bis 2009 – damals fiel die als Karrieristin bekannte Juristin unter anderem auf, als sie im Dior-Kleid zum Besuch bei Strafgefangenen in einer Haftanstalt auflief – in ihrer wiederaufgenommenen Funktion als Anwältin hohe Geldzahlungen vom Renault-Konzern angenommen zu haben. Dabei geht es um 900.000 Euro in Form eines Jahreshonorars von 300.000 Euro über drei Jahre hinweg, für das es keinen plausiblen Nachweis einer Gegenleistung gibt. Gleichzeitig war Dati seit Juni 2009 EU-Parlamentarierin, denn auf diesen Posten war sie damals aus dem Ministerium weggelobt worden.
Die Justiz verdächtigt Dati und Ghosn, dass es sich in Wirklichkeit um Zahlungen für rein politische Einflussnahme zugunsten des Konzerns handelt. Es ist Parlamentariern jedoch verboten, sich in »Interessenkonflikte« in Gestalt des mandatswidrigen Einsatzes für reine Privat- oder Unternehmensinteressen zu begeben. Und Anwälten wird durch ihre Déontologie, also ihre Berufsregeln, vorgeschrieben, eine fünfjährige Karenzzeit einzuhalten, bevor sie ein Mandat übernehmen, das sie in einen Interessenkonflikt bringt – weil sie in einer vorherigen oder einer späteren politischen Funktion Einfluss zugunsten des Mandanten nehmen könnten oder hätten nehmen können. Dati hielt sich allem Anschein nach nicht an diese Regeln.
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