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Aus: Ausgabe vom 29.07.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Wasserkrise im Donbass

Auf dem letzten Tropfen

Im Donbass wird mitten im Sommer das Trinkwasser knapp. Hauptgrund ist der Krieg
Von Reinhard Lauterbach
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Schon seit Jahren Mangelware: Wasser in Donezk (28.2.2022)

In Donezk und seiner Nachbarstadt Makejewka herrscht mitten im Hochsommer seit Wochen Wasserkrise. Die Bewohner bekommen nur noch alle drei Tage für jeweils ein paar Stunden Trinkwasser aus der Leitung. Ansonsten sitzen die Menschen auf dem Trockenen. Die Behörden haben zwar Straßensprengwagen aus Moskau geschickt, die als Reservoire genutzt werden. Aber deren Kapazität reicht nicht aus. Aus der Bevölkerung werden indes Beschwerden über die Qualität des Wassers laut.

Moskau hat auch eine Preissenkung für Wasser in Flaschen verordnet – der Liter sollte drei Rubel (drei Eurocent) kosten, aber dann verschwand das subventionierte Wasser aus den Regalen und tauchte alsbald in privaten Märkten auf – zum alten Preis von fünf Rubeln pro Liter. In einer Bevölkerung, an der Nichtverdienende wie Rentner einen überdurchschnittlichen Anteil ausmachen, wird das zu einem Problem, das vor die Entscheidung stellt: Suppe kochen oder Wäsche waschen?

Wasser wird im Donbass in jedem Sommer knapp. Das Gebiet ist von Natur aus wasserarm, zumal der langjährige Kohlebergbau dazu geführt hat, dass Grundwasser in großem Stil abgepumpt wurde und jetzt fehlt. Dazu sind die Sommer dort heiß. Dieses Jahr hat es im Frühjahr besonders wenig geregnet und im Winter kaum geschneit. Die Stauseen, von denen es in der Volksrepublik Donezk rund ein Dutzend gibt, sind inzwischen weitestgehend leergepumpt – was die Pumpen jetzt noch ansaugen, ist eher Schlamm als Wasser.

Auch der Krieg hat Auswirkungen auf die Wasserversorgung des Donbass. Diese war seit sowjetischen Zeiten überregional organisiert. Für den Ballungsraum Donezk ist ein zwischen 1955 und 1958 gebauter Süßwasserkanal von entscheidender Bedeutung, der an der Grenze der Bezirke Charkiw und Donezk von dem ständig wasserführenden Fluss Sewerski Donez (ukrainisch: Siwerskij Donez) abzweigt und zu Friedenszeiten genug Wasser lieferte, um der Stadt Donezk den Beinamen »Stadt der Rosen« zu verschaffen. Mit dem Beginn des Volksaufstandes gegen die Herrschaft des »Euromaidan« 2014 haben die Kiewer Machthaber der rebellischen Region das Wasser weitgehend abgedreht. Seit Beginn des offenen Krieges vor drei Jahren kam dann die vollständige Blockade.

Man kann die Hypothese wagen, dass der Angriff der Freischärler von Igor Girkin (auch bekannt unter seinem Pseudonym Strelkow) auf das 60 Kilometer vom Ballungsraum Donezk gelegene Slawjansk im Frühjahr 2014 das Ziel hatte, die Wasserversorgung der Region langfristig zu sichern – genau wie der rapide Vormarsch russischer Truppen auf den Stausee von Kachowka im Februar 2022 offenkundig darauf gerichtet war, die Wasserversorgung der Krim zu gewährleisten. Auch dort ging es um den Nordkrimkanal, den die Ukraine 2014 gesperrt und damit die Bewässerungslandwirtschaft auf der Krim beschränkt hatte. Mit dem höchstwahrscheinlich durch ukrainischen Beschuss verursachten Einsturz der Staumauer von Kachowka im Juni 2024 ist die Wasserkrise auf der Krim wieder akut geworden.

Folgt man dieser wasserstrategischen Logik, lässt sich erklären, warum Russland nach wie vor bestrebt ist, den Ballungsraum Kramatorsk/Slawjansk unter seine Kontrolle zu bringen und kaum gewillt sein kann, sich vor dem Erreichen dieser Zielsetzung auf einen Waffenstillstand einzulassen. Ohne das Wasser wäre der Donbass langfristig nicht in der Intensität bewohnbar, wie er als führendes Industriegebiet der UdSSR und der Ukraine einmal war. Denn der neu gegrabene Ersatzkanal für den Donbass, der Wasser aus dem Don heranführt, ohne die Ukraine zu kreuzen, hat nicht die Kapazität, um den gesamten Bedarf der Region zu befriedigen.

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