Kahlschlag mit Folgen
Von Volker Hermsdorf
Ecuadors Präsident Daniel Noboa stößt mit dem neoliberalen Umbau des Staates zunehmend auf Widerstand. Seit Regierungssprecherin Carolina Jaramillo am Donnerstag die Entlassung von mindestens 5.000 Staatsbediensteten angekündigt hatte, wächst der Protest. Noboda begründet die Massenentlassungen mit einem »Effizienzplan« zur »Modernisierung des Staates«. Gewerkschaften und soziale Bewegungen sprechen von einem radikalen Sozialabbau, der auf Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Rechte von Beschäftigten aushebelt und den Einfluss multinationaler Konzerne stärkt.
Die Kürzungen treffen vor allem den öffentlichen Sektor, der bereits unterfinanziert ist. Die Regierung behauptet, die Entlassungen erfolgten nach »technischen Kriterien« und beträfen nicht Gesundheit, Bildung oder Kultur. Gewerkschaften sprechen von willkürlichen Maßnahmen. Viele der Betroffenen wurden kurzerhand auf die Straße gesetzt. Parallel dazu sorgt die geplante Fusion zentraler Ministerien für Empörung. Deren Aufgaben sollen in wirtschaftsliberale Großressorts überführt oder ganz gestrichen werden.
So wird das Frauenministerium in das Innenministerium eingegliedert. Alle 28 Stunden wird in Ecuador eine Frau ermordet. Eine eigenständige Behörde gilt deshalb als unverzichtbar. Auch die Umweltpolitik wird ausgehebelt, das Ministerium in das Ressort für Energie und Bergbau eingegliedert. Verbände warnen, dass damit die Kontrolle über Großprojekte verloren geht und ökologische Standards den Profitinteressen geopfert werden. Die internationale Organisation »Amazon Frontlines« spricht von einem »gefährlichen Schritt«, der die Konzerne stärkt und das Klima weiter belastet. Im Kulturbereich formiert sich ebenfalls Widerstand. Das Ministerium für Kultur soll mit dem Bildungsministerium verschmolzen werden, was Künstler als Angriff auf kulturelle Vielfalt kritisieren. Unter dem Motto »Kultur ist kein Luxus, sondern ein Recht« rufen auch sie zu Demonstrationen auf.
Die Gewerkschaften unterstützen die Proteste gegen die Regierungspläne. Die »Confederación Nacional de Servidores Públicos del Ecuador« (Conasep) und die »Frente Unitario de Trabajadores« (FUT) rufen für den 31. Juli zu einer Großdemonstration in Quito auf, weitere Mobilisierungen sind für August geplant. Die Verbände kritisieren, dass die angekündigten Maßnahmen nicht mehr Effizienz, sondern vor allem eine soziale Ausdünnung und die Privatisierung staatlicher Aufgaben zum Ziel haben. Auch die Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) warnt vor einem »perversen Plan der Staatsreduktion« und ruft zur Einheit im Widerstand auf. Die linke Oppositionspartei »Revolución Ciudadana« und die indigene Partei Pachakutik sprechen von einer »IWF-Diktatur«, die Entlassungen, Verelendung und Privatisierung vorantreibe.
Noboas jüngste Attacke auf den Sozialstaat erfolgt in einem Land, das als hochgefährlich für organisierte Beschäftigte gilt. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) stufte Ecuador im Juni 2025 in seinem »Global Rights Index« als drittschlimmstes Land der Welt für Werktätige ein. Demnach seien willkürliche Kündigungen, Einschüchterung und sogar Todesdrohungen gegen Gewerkschafter an der Tagesordnung. Das Szenario in Ecuador ist laut IGB exemplarisch für die Tendenz in vielen Ländern. Reguläre Arbeitsplätze und soziale Rechte werden durch neoliberale Umstrukturierungen, autoritäre Sicherheitsgesetze und eine politische Elite, die vor allem den Interessen von Kapital und Großunternehmen verpflichtet ist, zunehmend beseitigt. Der IGB warnt vor einem globalen »Putsch gegen die Demokratie«, getragen von rechten Regierungen, unterstützt von Konzernen und reaktionären Netzwerken. Doch in Ecuador formiert sich dagegen jetzt offenbar vehementer Widerstand.
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