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Aus: Ausgabe vom 28.07.2025, Seite 2 / Kapital & Arbeit
Ölfeld vor Usedom

Ostseeküste wird verölt

Polen weist deutsche Bedenken wegen Ölförderung vor Usedom zurück
Von Reinhard Lauterbach
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Drill, baby, drill! Polen, gewohnt transatlantisch (Bohrplattform in der Ostsee)

Polen wird sich in die Entscheidung über eine mögliche Öl- und Gasförderung vor der Ostseeküste bei Swinoujscie von niemandem hereinreden lassen. Mit diesen Worten reagierte Regierungssprecher Adam Szłapka am Freitag auf Bedenken, die deutsche Bürgermeister auf Usedom, die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern und das Bundesumweltministerium nach der Bestätigung eines Öl- und Gasfundes vor der polnischen und deutschen Ostseeküste geäußert hatten. Die Ressourcen seien polnisch, und es sei Sache Polens, sie zu nutzen, so Szłapka.

Ganz so einfach ist es erkennbar nicht. Denn nach den Karten, die die kanadische Explorationsfirma Central European Petrol (CEP) Anfang der vergangenen Woche veröffentlicht hatte, ist das Vorkommen zwar vor der polnischen Ostseeinsel Wolin – sie grenzt jenseits der Odermündung an Usedom an – angebohrt worden, die Lagerstätten liegen aber wohl teilweise in der deutschen Wirtschaftszone. Nach Angaben der Welt vom Freitag war das Vorkommen ursprünglich in den 1980er Jahren von der DDR entdeckt, aber als nicht abbauwürdig eingeschätzt worden.

Polnische Energieexperten versuchten inzwischen, den Ölenthusiasmus etwas herunterzukühlen. Die 22 Millionen Tonnen Öl, auf die das Vorkommen vor der Küste geschätzt wird, lägen etwas unter dem einmaligen Jahresverbrauch Polens an Treibstoffen: Die polnischen Raffinerien verarbeiten derzeit jährlich 27 Millionen Tonnen Rohöl. Und es sei klar, dass das Vorkommen weder innerhalb eines Jahres noch jemals vollständig gefördert werden könne. Unsicher sei auch, ob die Qualität des Öls für die polnischen Raffinerien passe. Ein zweites Norwegen werde Polen durch die Entdeckung nicht, sagte der frühere Leiter der polnischen Geologiebehörde, Piotr Woźniak, dem Portal ­Money.pl. Der Abbau könne frühestens in drei Jahren beginnen.

Von deutscher Seite war insbesondere die Befürchtung einer Ölverschmutzung der Ostsee und der Zerstörung der auf dem Tourismus beruhenden Wirtschaftsstruktur der Insel Usedom geäußert worden. Für die Küstenorte auf der polnischen Seite ist die Situation nicht anders. In Swinoujscie ist bereits ein LNG-Terminal in Betrieb; Planungen für einen Außenhafen für Containerschiffe sind dort gerade durch ein Gerichtsurteil gestoppt worden.

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  • Leserbrief von Joachim Naumann aus Klein Offenseth-Sparrieshoop (28. Juli 2025 um 15:21 Uhr)
    Warum wird unnötig Angst gegen Ölförderung geschürt. In der Nordsee fördern wir seit Jahren sogar im Nationalpark ohne Probleme. Joachim Naumann
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (28. Juli 2025 um 10:56 Uhr)
    Das neu entdeckte Ölvorkommen vor der polnischen Ostseeküste ist im globalen Maßstab eine Bagatelle – sein Umfang rechtfertigt kaum die aufgeheizte Debatte, die es ausgelöst hat. Dennoch reicht es offenbar aus, um grenzüberschreitende Spannungen zu erzeugen. Was also ist das eigentliche Problem? Auffällig ist, dass weder Polen noch Deutschland direkt in die Exploration eingebunden sind – stattdessen übernimmt eine kanadische Firma die Initiative. Das wirft Fragen zur Rolle europäischer Staaten in der eigenen Energiepolitik auf. Warum sind zentrale EU-Staaten wie Deutschland und Polen in der konkreten Ressourcenerschließung und Forschung so oft außen vor? Statt sich auf nationale Befindlichkeiten oder symbolische Souveränitätsgesten zu konzentrieren, wäre es zielführender, wenn Europa insgesamt eine strategisch abgestimmte Energiepolitik verfolgen würde – mit dem Ziel, Abhängigkeiten zu reduzieren und vorhandene Ressourcen verantwortungsvoll gemeinsam zu nutzen. Die aktuelle Situation zeigt einmal mehr, wie wenig koordiniert und langfristig gedacht der europäische Umgang mit Energiefragen ist.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (27. Juli 2025 um 23:47 Uhr)
    Könnte man das Zeug, das bei Wolin gefördert werden könnte, nicht zu PCK pumpen? Im Wattenmeer bei Borkum ist das Bundesumweltministerium ja auch nicht so zimperlich. OK, da soll Gas gefördert werden. Vielleicht greifen ja auch die USA ein, wie damals gegen Saddam, nachdem Kuwait irakische Ölfelder angebohrt hatte und der sich das nicht gefallen lassen wollte.

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