Einer vom »alten Schlag«
Von Kristian Stemmler
Eines der Verfahren im Zusammenhang mit der sogenannten Aserbaidschan-Affäre geht auf die Zielgerade. Die Generalstaatsanwaltschaft forderte am Freitag vor dem Oberlandesgericht München wegen Bestechung von Mandatsträgern eine Bewährungsstrafe von elf Monaten für den ehemaligen CSU-Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner. Die Verteidigung forderte einen Freispruch.
Die Anklage ist überzeugt: Lintner hat Millionen Euro an Schmiergeldern aus Baku an europäische Politiker weitergeleitet, um Entscheidungen in der parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) zu Gunsten Aserbaidschans, das sich inzwischen der ständig wachsenden Gunst des »Westens« erfreut, zu beeinflussen. Baku soll so seit Jahren versucht haben, ein positives Bild des Landes in die europäische Öffentlichkeit zu transportieren. Neben Lintner war in dem Verfahren auch der ehemalige CDU-Abgeordnete Axel Fischer aus Karlsruhe wegen Bestechlichkeit angeklagt. Sein Verfahren wurde nach einer Erkrankung Fischers abgetrennt und muss neu aufgerollt werden.
Der heute 80 Jahre alte Lintner saß über drei Jahrzehnte für seine Partei im Bundestag sowie in der Versammlung des Europarats. Im Prozess hatte er Mitte Mai eingeräumt, aserbaidschanische Geldzahlungen an die 2021 verstorbene CDU-Abgeordnete Karin Strenz weitergeleitet zu haben. Sie sollte dafür Entscheidungen im Sinne Aserbaidschans beeinflussen, nachdem Lintner selbst nicht mehr Mitglied des Europarats war. In diesem Vorgehen wollte der CSU-Mann auch vor Gericht nichts Strafbares erkennen. Es habe sich um normalen Lobbyismus gehandelt, der »bis heute praktisch allgegenwärtig« sei.
Oberstaatsanwalt Martin Weigl argumentierte, Lintner komme zwar nicht die Schlüsselrolle in der Affäre zu. Er sei aber bei der zentralen Vereinbarung zwischen der CDU-Politikerin und der aserbaidschanischen Seite 2014 dabeigewesen und habe sich für »Zuwendungen« an die Abgeordnete eingesetzt. Die Tathandlung sei »das Versprechen«, betonte Weigl. Schon das Anbieten oder Versprechen eines »ungerechtfertigten Vorteils« sei strafbar. Erste Zahlungen aus Aserbaidschan an Strenz seien über eine Firma Lintners geflossen. Später habe die CDU-Politikerin das Geld dann direkt und bar erhalten. Am Ende sollen so 122.500 Euro an sie geflossen sein.
Lintners Verteidiger Martin Reitmaier und Benjamin Hirsch sahen das ganz anders und forderten einen Freispruch. Reitmaier nannte Lintner einen »Politiker vom alten Schlag«, der sich immer für hehre Ziele eingesetzt habe und überzeugt gewesen sei, nichts Böses getan zu haben. Lintner habe seine Tätigkeit als »natürliche Lobbyarbeit« verstanden.
Hirsch argumentierte anders. Lintner habe bei der Vereinbarung zwischen der CDU-Politikerin und der aserbaidschanischen Seite eine untergeordnete Rolle gespielt, er sei in die Details nicht eingebunden gewesen, behauptete er. Der CSU-Politiker sei in Aserbaidschan damals ohnehin schon ein »Auslaufmodell« gewesen. Zudem gebe es viele Hinweise, dass die maßgebliche Vereinbarung schon früher getroffen worden und Lintner bei dem zentralen Treffen gar nicht dabei gewesen sei, sagte der Anwalt. So oder so sei der CSU-Politiker spätestens 2015 »nachweislich draußen« gewesen, weil das Geld dann nicht mehr über seine Firma geflossen sei.
Das Ziel dieser Darstellung ist, die Vorwürfe gegen Lintner als verjährt verwerfen zu lassen. Lintner sei 2015 aus dem »Unrechtsgeflecht« ausgetreten, so die Verteidigung. Die Anklage sieht das anders: Lintner sei zwar als »Geldtransporteur« ausgeschieden, die Vereinbarung sei aber weitergelaufen. Am Mittwoch soll es ein Urteil geben.
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