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Aus: Ausgabe vom 25.07.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Gastronomie udn Hotellerie

Streit ums Trinkgeld

Österreich: Koalition einigt sich auf weiterhin steuerfreies Zubrot und neue einheitliche Sozialabgaben
Von Oliver Rast
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Frischen Gerstensaft zapfen und Gästen im Wirthaus servieren, dafür gibt es hoffentlich kräftig Bakschisch

Kellnern in der Gastronomie ist kein einfacher Job. Die typischen Aufgaben: Esstische saubermachen, Gäste begrüßen, Speisekarte präsentieren, Gerichte und Getränke empfehlen, Bestellungen annehmen, Speisen samt Trank servieren, Tische nach dem Mahl abräumen, Rechnung vorlegen und Bezahlung entgegennehmen. Und das bitte alles recht zackig, freundlich sowieso. Dann klappt’s vielleicht auch mit dem Trinkgeld. Wichtig, weil das Zubrot Teil des Einkommens ist.

Und genau darum gab es in Österreich eine monatelange Kontroverse. Trinkgeld ist in der Alpenrepublik steuerfrei, aber sozialversicherungspflichtig. Gestritten wurde vor allem um Sozialabgaben. Nun haben sich die Koalitionsparteien ÖVP, SPÖ und Neos in Wien geeinigt, berichtete der ORF am Donnerstag. Das Ergebnis: Das Trinkgeld bleibt steuerfrei, Abgaben werden bundeseinheitlich pauschaliert – und fallen geringer aus, als ursprünglich diskutiert.

Und im Detail? Für Kellner gilt ab 2026 eine monatliche Pauschale in Höhe von 65 Euro, für jene ohne Inkasso beträgt sie 45 Euro, erklärte auf Nachfrage der Tageszeitung Standard gleichentags Tourismusstaatssekretärin Elisabeth Zehetner (ÖVP). 2027 steigen die Sätze dann auf 85 beziehungsweise 45 Euro, 2028 schließlich auf 100 und 50 Euro. In den Jahren darauf soll es eine jährliche Inflationsanpassung geben. Sozialabgaben stiegen »um ein paar Euro«.

Die Gastro- und Hotellobby verlangte zunächst, Trinkgelder von allen Unternehmerabgaben zu befreien, gleichfalls die neoliberalen Neos. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) warnte hingegen, dass Pensionen, Arbeitslosengeld und Krankengeld geringer ausfallen würden. Darauf verwies ferner der KPÖ-nahe Gewerkschaftliche Linksblock. Zumal es um Bemessungsgrundlagen für eine Beschäftigtengruppe geht, die am Ende der Lohnskala der Kollektivverträge rangiert.

Mit der Absenkung der diskutierten Monatspauschale von ursprünglich 95 Euro auf 65 Euro ließen sich dem Standard zufolge auch die Neos überzeugen. Auch der ÖGB bezeichnete den Kompromiss als »pragmatische Lösung«. Die vereinbarte Regelung zur Trinkgeldpauschale bedeute letztlich soziale Absicherung und Fairness, so etwa die ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Helene Schuberth in einer Stellungnahme.

Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) begrüßte vor allem den beschlossenen bundeseinheitlichen Modus bei der Pauschale. Denn zuvor verhandelten die jeweiligen Landesvertreter der Wirtschaftskammer mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) die Abgabenhöhe aus – die dann in den Bundesländern differierte. »Was bislang ein föderaler Fleckerlteppich war, wird endlich vereinheitlicht«, wurde SWV-Präsident Christoph Matznetter am Donnerstag in einer Mitteilung zitiert. Das schaffe Rechtssicherheit für Unternehmen und Gerechtigkeit für Beschäftigte.

Nun ja, vieles bleibt weiterhin faul – etwa, dass schwer ackernde Gastrokräfte zu billig abgespeist werden.

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