Aufruhr in Peru
Von Volker Hermsdorf
Inmitten wachsender Unzufriedenheit und anhaltender sozialer Spannungen rufen Perus größter Gewerkschaftsbund, die Confederación General de Trabajadores del Perú (CGTP), sowie zahlreiche soziale Bewegungen und indigene Organisationen zu landesweiten Protesten anlässlich des Nationalfeiertags am 28. Juli auf. Sie fordern den Rücktritt von De-facto-Präsidentin Dina Boluarte, deren Regierung ihre Macht seit dem Putsch gegen den gewählten Präsidenten Pedro Castillo im Dezember 2022 mit äußerster Brutalität gegen große Teile der Bevölkerung absichert.
Die CGTP und die Einheitsgewerkschaft Central Unitaria de Trabajadores del Perú (CUT) betonen, dass eine Rückkehr zur Demokratie nur durch den Rücktritt Boluartes möglich sei. Vertreter der »Alianza de Transportistas« und der »Asociación Nacional de Conductores del Perú« erklärten, dass sich Transportarbeiter, Bus- und Lkw-Fahrer, Mototaxi- und Kleintransportunternehmer mit den Gewerkschaften zusammenschließen werden. Sie kündigten an, ursprünglich für den 24. und 25. Juli geplante Protestaktionen zu verschieben, um sich am 27. und 28. Juli am gemeinsamen landesweiten Streik gegen die Regierung von Dina Boluarte zu beteiligen. Der Generalsekretär der Lehrergewerkschaft Sindicato Único de Trabajadores en la Educación del Perú (SUTEP) in der Region Puno, Tito Rojas, sowie der Vertreter des Comando Nacional Unitario de Lucha (CNUL), Lucio Ccallo, bestätigten, dass sich ihre Organisationen dem Aufruf zum landesweiten Streik ebenfalls anschließen werden. Delegationen des CNUL, einer Dachorganisation zivilgesellschaftlicher, gewerkschaftlicher, indigener und politischer Gruppen, würden aus allen Regionen des Landes nach Lima reisen, um an den Protesten teilzunehmen.
Die Front gegen die amtierende Präsidentin wird dabei von Angehörigen der Opfer unterstützt, die bei Demonstrationen zwischen 2022 und 2023 ums Leben kamen. Mehrere tausend Verletzte und Hunderte Tote waren das blutige Erbe der Proteste gegen die Putschisten. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IACHR) dokumentierte Anfang 2023 Massaker, exzessive Gewalt und außergerichtliche Hinrichtungen, die besonders indigene und ärmere Bevölkerungsgruppen trafen. »Diese Frau hat die Kinder des Volkes ermorden lassen«, erklärten Vertreter der Familien am Mittwoch (Ortszeit) auf einer Pressekonferenz in Lima. Die Organisation Nationaler Familien von Opfern und Verletzten plant vom 26. bis 29. Juli einen »Trauermarsch gegen die Diktatur« und für die Beendigung der staatlichen Repression. »Wir fordern Gerechtigkeit nicht nur für die jüngsten Opfer, sondern für alle, die seit den 1980er, 1990er und 2000er Jahren politische Gewalt erlebt haben«, sagte Giovanna Mendoza, die Vizepräsidentin der Organisation. Doch statt darauf einzugehen, heizt das Regime den Konflikt weiter an. Am 9. Juli verabschiedete das von Boluartes Anhängern dominierte Parlament ein Amnestiegesetz für Mitglieder der Streitkräfte und der Nationalpolizei, die zwischen 1980 und 2000 an sogenannten Antiterroreinsätzen beteiligt waren.
Wie tief die Frustration über Boluarte in Peru verankert ist, zeigt ein Bericht der Tageszeitung La República vom Mittwoch. »Niemand will sie, die Korruption bleibt, und sie macht, was sie will«, kritisierte die Verkäuferin Luz Marina Inca in Cusco. In Trujillo beklagte der Händler Jhon Alfaro: »Die Leute hungern, doch die Regierung schaut weg.« Und während Millionen Peruaner täglich ums Überleben kämpfen, erhöhte Boluarte kürzlich ihr Monatsgehalt auf 35.000 Soles (8.300 Euro). Zudem verstärkte sie die Ausrichtung der Regierung zugunsten von Unternehmen. So erhielten große Agroexportfirmen hohe Steuervergünstigungen, während die kleinbäuerliche Landwirtschaft benachteiligt wird. Zur Sicherung der Macht engagiert die Regierung auch private Söldnerfirmen wie Blackwater – inzwischen Academi –, dessen Gründer Erik Prince kürzlich in Lima war. Unter dem Vorwand, den Kampf gegen Drogenhandel und kriminelle Banden zu unterstützen, wird so die Militarisierung ländlicher Regionen vorangetrieben. Menschenrechtsorganisationen warnen bereits vor dem Risiko weiterer Menschenrechtsverletzungen.
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