Völkerrechtliches Gebot
Von Wolfgang Pomrehn
Eindeutiger geht es nicht: Die Staaten haben eine völkerrechtliche Verpflichtung, Klimaschutz zu betreiben. So hat es der Internationale Gerichtshof (IGH) am späten Mittwoch nachmittag in Den Haag verkündet. Einstimmig, was in seiner rund 80jährigen Geschichte zuvor erst viermal vorgekommen war. Das Gericht stellte auch klar, dass die alten Industriestaaten, darunter auch Deutschland, bei der Reduktion der Treibhausgase vorangehen und dass die Mitglieder des Pariser Klimaschutzabkommens Maßnahmen ergreifen müssen, die zusammen in der Lage sind, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten. Die Richterinnen und Richter hatten zwar nicht darüber zu befinden, ob die bisherige Klimaschutzpolitik ausreichend ist, aber dieser Punkt ist ohnehin unstrittig. Bisher, so haben diverse Institute aus aller Welt in den letzten Jahren vorgerechnet, befindet sich die Menschheit noch auf dem Weg in eine zwei bis drei Grad Celsius wärmere Welt. Die Folgen für Meeresspiegel, Welternährung und die Bewohnbarkeit vieler Regionen wären verheerend.
Auch die Bundesrepublik ist weit davon entfernt, einen angemessenen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Zwar gibt es das inzwischen gesetzlich fixierte Ziel, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, doch bis dahin sollen noch etliche Milliarden Tonnen Treibhausgase emittiert werden, weit mehr als es Deutschlands gerechter Anteil wäre. Industrie und Regierung spielen weiter auf Zeit. Nicht einmal die unzureichenden, mit der EU vereinbarten und im Klimaschutzgesetz festgehaltenen Sektorenziele werden eingehalten. Weil im hiesigen Straßenverkehr und Gebäudesektor praktisch nichts passiert, werden ab 2030 voraussichtlich Strafgebühren in Höhe von mehreren Milliarden Euro fällig.
Bundeskanzler Friedrich Merz meint zwar in bester Stammtischmanier Deutschlands Anteil am Problem kleinreden zu können, da es ja »nur zwei Prozent« zu den globalen Emissionen beitrage. Doch damit offenbart der Privatjetflieger vor allem seine eigene Ahnungslosigkeit. Die mögen ihm seine Wählerinnen und Wähler noch abnehmen, aber auf dem internationalen Parkett wird er damit keinen Erfolg haben. Auch nicht vor internationalen Gerichten, wenn die Bundesrepublik demnächst für die von ihm mit den Treibhausgasemissionen anderswo angerichteten Schäden haftbar gemacht wird. Denn auch das ist ein Ergebnis des IGH-Entscheids: Künftig haben geschädigte Staaten einen Schadensersatzanspruch gegenüber den Verursachern, unter denen Deutschland den fünften Rang einnimmt.
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