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Aus: Ausgabe vom 25.07.2025, Seite 1 / Titel
Apartheidstaat Israel

Annexion abgesegnet

Israel: Parlament beschließt Einverleibung von besetztem Westjordanland. Nichtbindende Resolution bestätigt, was de facto längst Realität ist
Von Jakob Reimann
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Zerstörung als Ziel: Mehrere Häuser nahe Hebron werden vom israelischen Militär abgerissen (28.4.2025)

Die Einverleibung Palästinas schreitet voran: Das israelische Parlament hat am Mittwoch abend mit großer Mehrheit eine Resolution beschlossen, in der die Annexion des Westjordanlandes gefordert wird. Das besetzte Palästinensergebiet sei »ein untrennbarer Teil des Landes Israel, der historischen, kulturellen und spirituellen Heimat des jüdischen Volkes«, heißt es im Antrag, der mit 71 zu 13 Stimmen angenommen wurde. Die Regierung wird aufgefordert, »israelische Souveränität, Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung auf alle jüdischen Siedlungsgebiete jeglicher Art in Judäa, Samaria und dem Jordantal anzuwenden«, so der Resolutionstext unter Verwendung der biblischen Namen.

Der Antrag wurde von einer breiten Koalition aus rechten bis faschistischen Parteien getragen, linke und arabische Abgeordnete stimmten dagegen, die größten Oppositionsparteien nahmen nicht an der Abstimmung teil. Bei der nicht bindenden Resolution handelt es sich um »eine symbolische Geste«, heißt es bei Times of Israel, »die die ansonsten zerstrittene rechte Regierungskoalition einte«. Das palästinensische Außenministerium verurteilte die Knesset-Abstimmung als »kolonialistisch und rassistisch«, während der palästinensische Botschafter in Berlin, Laith Arafeh, von »einem dreisten Angriff auf alle grundlegenden Normen und Prinzipien der Moral« spricht.

»1967 hat die Besatzung nicht begonnen«, erklärte Knesset-Sprecher Amir Ohana nach der Abstimmung mit Blick auf den Sechstagekrieg, in dessen Verlauf Israel die palästinensischen Gebiete, den syrischen Golan sowie den später an Ägypten zurückgegebenen Sinai besetzte – »sie hat geendet, und unser Heimatland wurde seinen rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben.« Und Ohana weiter: »Wir sind die ursprünglichen, ersten Ureinwohner dieses Landstrichs. Juden können keine ›Besatzer‹ eines Landes sein, das seit 3.000 Jahren Judäa genannt wird.« Nebenbei bemerkt: Mit seinen rund 11.000 Jahren durchgehender Besiedlung gilt das palästinensische Jericho manchen als die älteste Stadt der Welt.

Erst vor kurzem bezog sich Kanzler Friedrich Merz im »Sommerinterview« der ARD positiv auf die »Zweistaatenlösung«, an der man »zusammen mit den Amerikanern« arbeite. Ungeachtet der Realität, dass Vertreter des israelischen Staats die Schaffung eines palästinensischen Staats unmissverständlich und immer wieder ausschließen, verbreiten Liberale und Konservative im Westen, insbesondere in Deutschland, unbeirrbar das Hirngespinst der nicht mehr zu realisierenden zweistaatlichen Lösung.

Schon seit die aktuelle ultrarechte Regierung im Dezember 2022 an die Macht kam, wird die Ausweitung der völkerrechtlich illegalen Siedlungen vehement vorangetrieben und das tägliche Leben der palästinensischen Bevölkerung zunehmend auf einen immer kleineren und voneinander getrennten Raum beschränkt. Und während die Annexion des Westjordanlands parlamentarisch vorangetrieben wird, setzt sich die brutale Gewalt des israelischen Staats vor Ort unvermindert fort, wobei in den vergangenen Tagen erneut vorwiegend Kinder und Jugendliche getötet wurden. Israelische Streitkräfte haben am Donnerstag südlich von Bethlehem zwei Palästinenser im Alter von 15 und 17 Jahren, am Mittwoch westlich von Dschenin einen 14jährigen und am Dienstag bei Qabatija einen 16jährigen Jungen erschossen.

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