Zerstörung mit System
Von Jörg Tiedjen
Nach dem Beschuss der einzigen katholischen Kirche in Gaza hat Papst Leo XIV. den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Freitag in einem Telefonat aufgefordert, für ein rasches Ende des Gazakriegs zu sorgen. Laut Vatican News kam das Gespräch auf Initiative Netanjahus zustande. Am Vorabend hatte dessen Büro auf der Onlineplattform X noch eine ebenso kurze wie irrlichternde Erklärung abgegeben. Demnach bedauere Israel »zutiefst, dass die Kirche der Heiligen Familie in Gaza von verirrter Munition (engl. stray ammunition) getroffen wurde«. Im nachfolgenden Tweet hieß es: »Israel untersucht den Vorfall und ist weiterhin verpflichtet, Zivilisten und heilige Stätten zu schützen.« Auch die Armee gab an, dass sie das Gotteshaus, auf dessen Gelände nach palästinensischen Angaben circa 600 Kriegsvertriebene Zuflucht gefunden hatten, am Donnerstag unbeabsichtigt getroffen habe. »Eine erste Untersuchung deutet darauf hin, dass Fragmente einer Granate die Kirche versehentlich getroffen haben«, zitierte CNN.
»Was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass ein Panzer die Kirche direkt getroffen hat«, hieß es dagegen in einer Stellungnahme des lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, unmittelbar nach dem Beschuss. Dabei habe es vier Schwerverletzte gegeben, von denen drei noch am selben Tag verstarben. Unter denen, die leichtere Verwundungen davongetragen haben, sei auch Priester Gabriel Romanelli. Er war zu Lebzeiten von Papst Franziskus während des andauernden Gazakriegs dessen täglicher Gesprächspartner gewesen.
Abgesehen davon, dass die Behauptung, Israel sei dem Schutz von Zivilisten verpflichtet, im Gazastreifen täglich ad absurdum geführt wird: Auch vom Außenministerium des Landes wiederholte Beteuerungen, dass »Israel niemals Kirchen oder religiöse Stätten« angreife, lassen sich leicht widerlegen. Laut einer im Juni vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf veröffentlichten Untersuchung hat Israel allein zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 29. November 2024 »53 Prozent der Kulturerbestätten« des Küstenstreifens beschädigt oder zerstört. Darunter befänden sich »einige der wichtigsten kulturellen und religiösen Sehenswürdigkeiten in Gaza«, so auch die Große Omari-Moschee. Schon im Januar hatte die Palästinensische Nationalbehörde in Ramallah Bilanz gezogen und gab laut Agentur WAFA an, dass 2024 in Gaza 815 Moscheen und drei Kirchen zerstört worden seien. Von Versehen kann man da wohl kaum sprechen.
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