Trouble auf dem Acker
Von Oliver Rast
Bereits im Vorfeld ging es hoch her. Zunächst wurde das Papier für die EU-Agrarreform geleakt, dann präsentierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Agrarkommissar Christophe Hansen ihre Budgetvorschläge am Mittwoch erst mit stundenlanger Verzögerung in Brüssel. Offenbar feilschten Kommissionsmitglieder um jeden Halbsatz, um jede Wortsilbe. Wogen glätten konnten sie dennoch nicht, Bauernverbände, Umweltverbände, selbst zahlreiche EU-Parlamentarier seien entsetzt ob der Kürzungspläne, berichtete das Fachportal Top-Agrar am Donnerstag. Kein Wunder, denn Landwirte müssten »sich auf drastische Einschnitte bei den Direktzahlungen vorbereiten.«
Zunächst: Es geht in summa um ein Billionenpaket, um knapp 2.000 Milliarden Euro an EU-Mitteln. Alle sieben Jahre wird der EU-Haushalt neu verhandelt; aktuell jener für die Jahre 2028 bis 2034. Deshalb spricht man auch vom Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR). Ein Kernthema dabei ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. Der MFR sieht etwa 300 Milliarden Euro für Einkommens-, also Direkthilfen für die Landwirtschaft vor, so Agrar heute online am Mittwoch abend. Das wäre etwa ein Viertel weniger als in der laufenden GAP-Periode (2021 bis 2027).
Die Knackpunkte aus Bauernsicht: Die EU-Kommission plant eine obligatorische Degression und Kappung von Agrarprämien. Dies würde allein in Deutschland rund 20 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe betreffen. Das zeigten laut Agrar heute die von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) für 2024 veröffentlichten Agrarzahlungen. Eine soziale Staffelung der Prämien für Umwelt-, Klima- und Tierschutzleistungen sei nicht vorgegeben, kritisierte der Sprecher für Agrarpolitik der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Ottmar Ilchmann, am Mittwoch in einer Mitteilung. Ferner würden dem Deutschen Naturschutzring (DNR) zufolge bestehende Umwelt- und Naturschutzauflagen »teils geschwächt« werden. Das ist nicht alles. Landwirte im Rentenalter, die Altersrente beziehen, sollen ihren Anspruch auf Einkommensstützung verlieren, selbst wenn sie weiter ackern. Damit soll angeblich ein Generationswechsel befördert werden.
Der zentrale Aufreger ist aber: Die EU-Kommission erwägt, das Zweisäulenmodell der GAP (Direktzahlungen an Landwirte sowie Förderprogramme für nachhaltige Bewirtschaftung und ländliche Entwicklung) abzuschaffen – und damit ein eigenständiges Agrarbudget auf EU-Ebene. Denn der EU-Haushalt soll künftig aus nur noch drei Töpfen bestehen. Einem Fonds für nationale und regionale Partnerschaften (NRP) inklusive des Landwirtschaftsetats, einem Wettbewerbsfonds und einem Außen- und Sicherheitsfonds.
Unterm Strich sind das Vorschläge, die auch völlig konträr zur Position des Präsidenten des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied, liegen. Der DBV-Boss forderte jüngst auf dem Deutschen Bauerntag in Berlin ein »deutlich aufgestocktes EU-Agrarbudget«. Nun würde aber die EU-Kommission mit ihren Haushaltsideen samt Strukturänderungen »das Ende der GAP« einläuten. »Das ist ein Angriff auf die Landwirtschaft und die ländlichen Räume, der letztlich den europäischen Gedanken konterkariert.«
Und Ilchmann von der AbL fürchtet, dass eine »Renationalisierung« der GAP »zu einem Wettbewerb des geringsten ökologischen und sozialen Ambitionsniveaus führt«. Dramatisch seien für Höfe und Betriebe nicht zuletzt fehlende »gerechtere Marktregeln«, die die bäuerliche Stellung in der Wertschöpfungskette stärken würden.
Zur Beruhigung: Die EU-Kommission hat das Vorschlagsrecht für den Haushalt. Final verabschiedet wird er aber vom EU-Parlament und vom EU-Rat. Das dürfte Jahren dauern. Genug Zeit für Troublemaker auf dem Acker.
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