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Aus: Ausgabe vom 17.07.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
USA

Epsteins langer Tod

USA: Der Fall des verstorbenen Sexualstraftäters fällt Donald Trump auf die Füße. Der schickt Justizministerin vor, um für Ruhe zu sorgen
Von Luca Schäfer
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Wie tief ist Donald Trump in den Fall Epstein verwickelt? Das fragten Demonstranten in New York schon 2019

Der verurteilte Sexualstraftäter Jeffrey Epstein ist vor sechs Jahren verstorben. Doch sein Ableben bleibt ein Politikum. Er war eine schillernde Persönlichkeit, ein Wall-Street-Wolf der ersten Stunde, der mit der Towers Financial Corporation erstes gutes Geld verdiente. Das Finanzunternehmen bediente sich allerdings nachweislich betrügerischer Methoden. Die Anleger verloren mehr als 450 Millionen US-Dollar. Ob Epstein daran beteiligt war, ließ sich nie nachweisen. Der »talentierte Mister Epstein« verließ die Firma kurz vor ihrem Crash und spezialisierte sich in der Folge ausschließlich auf Milliardäre als Klienten. Zu seinem Kunden- und Freundeskreis zählten Personen mit großen Geldbörsen wie Bill Gates, der ehemalige israelische Premier Ehud Barak, Harvey Weinstein, der aktuelle US-Präsident Donald Trump oder der ehemalige britische Premier Tony Blair. Die Finanzdienstleistungen hatten ihren Preis: Verlangt wurde eine Vollmacht, die vollständige Kontrolle über das Kundenvermögen gewährte, und eine pauschale Verwaltungsgebühr von circa 0,5 Prozent wurde erhoben. Ep­stein wurde selbst Teil der Finanzelite.

Seine Vita liest sich wie ein Krimi. Die Liste der Anschuldigungen ist lang. Epstein soll Minderjährige sexuell ausgebeutet, einen Pädophilenring unterhalten, zwei Schwestern vergewaltigt und sich der erzwungenen Prostitution schuldig gemacht haben. Für letzteres ist er auch verurteilt worden. Aufgrund immensen Drucks auf Zeugen und Opfer und eines anscheinend mangelnden staatlichen Aufklärungswillens sowie eines vorteilhaften Deals zu seinen Gunsten konnte juristisch vergleichsweise wenig erreicht werden. Einige schweigen aber nicht. So Jennifer Araoz: Sie soll im Alter von 15 Jahren von Epstein zu sexuellen Handlungen gezwungen worden sein. Vieles davon kam durch die Prozesse gegen Ghislaine Maxwell ans Tageslicht, die Epstein Dutzende Opfer zugeführt hatte.

In den Prozessen gegen Maxwell, Tochter des Medienmoguls Robert Maxwell, trat auch die Beteiligung von Prinz Andrew oder des Harvard-Juraprofessors Alan Dershowitz zutage. Im Zentrum der Vorwürfe und auch von Verschwörungserzählungen steht ein Inselanwesen: Little Saint James – dort wie in seiner Nobelwohnung in New York soll der Finanzjongleur minderjährige Mädchen an reiche Männern ausgeliefert haben. Wie die Plattform Wired anhand von Telekommunikationsdaten herausfand, besuchten fast 200 verschiedene Personen die Insel. Die Daten verrieten, woher die Einfliegenden kamen. Die Ukraine, die Cayman-Inseln und Villen in Florida kamen häufig vor, aber auch ein Nachtklub in Miami sowie der Gehsteig vor dem Trump Tower wurden geortet.

Trump hatte im Wahlkampf der »Make America Great Again«-Bewegung (MAGA) sowie den Anhängern der Q-Anon-Verschwörungserzählung versprochen, die Umstände von Epsteins Tod lückenlos offenzulegen. Epstein war nach seiner Verhaftung 2019 tot in seiner Gefängniszelle aufgefunden worden, offiziell wegen Suizids. Eine angeblich existierende »Kundenliste« nährte allerdings Gerüchte. Der gefallene ehemalige Trump-Intimus Elon Musk behauptet in sozialen Netzwerken, dass der wahre Grund für Schwärzungen in den Epstein-Akten unvorteilhafte Passagen über Trump seien. Musk will dem Präsidenten bei den anstehenden Zwischenwahlen mit seiner eigenen »Amerika«-Partei Stimmen und Sitze abjagen und besitzt demnach ein Motiv für solche Beschuldigungen.

Entsprechende Beweise fehlen bisher. Doch dass Trump und Epstein sich näher kannten, ist allseits bekannt, wenn auch bisher nicht justitiabel. Der Trump-Biograph Michael Wolff beschreibt das Verhältnis der beiden Männer als beste Freundschaft. Beide liebten »Geld, Sex und Macht«. Gerüchte erhielten durch die Aussagen von Tucker Carlson neuen Auftrieb. Der einflussreiche rechte Kommentator behauptet, dass Ep­stein Verbindungen zur israelischen Regierung gehabt habe. Daran wird die Vermutung geknüpft, er habe im Auftrag des Mossad einflussreiche Persönlichkeiten mit dem Vorwurf der Pädophilie kompromittiert und erpresst. Stein des Anstoßes war, dass das US-Justizministerium erst kürzlich die Suizidversion bestätigte. Besonderen Unmut des MAGA-Lagers zog sich US-Justizministerin Pam Bondi zu, die vergangene Woche zu verkünden gewagt hatte, dass es im Fall des prominenten Toten keine neuen Erkenntnisse gebe. Offensichtlich hat die US-Regierung kein Interesse an einer weiteren Vertiefung des Falls Epstein. Wie die rechte US-Kommentatorin Laura Loomer fordern viele aus dem MAGA-Lager nun die Entlassung von Bondi sowie eine lückenlose Aufklärung des Falles.

Die von Trump und seinen Vertrauten eingeforderte Grabesruhe ist verständlich. Die Causa Epstein war in Wahlkampfzeiten Mittel des Angriffs auf die Regierung Joe Biden und diente der Mobilisierung rechtskonservativer Verschwörungsgläubiger. Jetzt allerdings könnte der Vorwurf der Verbrechen an Mädchen auch an Trump kleben, selbst wenn er juristisch nicht belangt werden sollte. Der US-Präsident hat im Fall Epstein wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Schon jetzt steht die Loyalität der staatstragenden MAGA-Maschinerie in Frage. Noch ist Trump nicht direkter Adressat der Kritik, sondern steht hinter FBI-Chef Kash Patel, Stellvertreter Dan Bongino sowie Justizministerin Bondi in der zweiten Reihe.

Ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Präsident selbst zur Zielscheibe wird? Der rechte Influencer Alex Jones sprach unter Tränen sogar von einem Verrat Trumps an seiner MAGA-Bewegung. Es mehren sich jedoch die Stimmen im rechten Republikaner-Lager, die einer Spaltung in den eigenen Reihen entgegenwirken wollen. Das Motto gab Trump auf seiner Plattform Truth Social selbst vor: »Verschwenden wir keine Zeit und Energie mit Jeffrey Epstein, mit jemandem, der niemanden interessiert.« Im Endkampf des US-Imperialismus mit der VR China kann sich Trump als Gesamtrepräsentant der herrschenden Klasse keine Störfeuer an der Heimatfront mehr leisten.

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