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Aus: Ausgabe vom 15.07.2025, Seite 1 / Titel
Krieg in Syrien

Damaskus gegen Drusen

Syrien: Islamistische Regierungstruppen marschieren in Suweida ein. Viele Tote nach Kämpfen. Israelische Luftwaffe bombardiert syrische Panzer
Von Nick Brauns
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Kämpfer eines Beduinenstammes mit Regierungstruppen am Montag in Suweida

Die syrische Regierung des Islamisten Ahmed Al-Scharaa hat zu einem Angriff auf die religiöse Minderheit der Drusen in der südlichen Provinz Suweida angesetzt. Bei den Sonntag abend ausgebrochenen Gefechten zwischen lokalen drusischen Verteidigungseinheiten, mit der Regierung verbundenen Beduinenstämmen und der Armee wurden bis Montag nachmittag nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungstelle für Menschenrechte 89 Personen getötet und rund 200 verwundet. Auslöser der Auseinandersetzungen seien ein Raubüberfall von Beduinen auf einen drusischen Gemüsehändler auf der Straße von Suweida nach Damaskus und die nachfolgenden gegenseitigen Geiselnahmen von Beduinen und Drusen gewesen. Unter dem Vorwand, die Sicherheit wiederherzustellen, sind am Montag Regierungstruppen mit schweren Waffen in die Provinz einmarschiert. »Wir kommen mit dem Schwert«, skandierten die dschihadistischen Kämpfer in Videos, die sie auf Social Media teilten. Beduinen griffen nun unter dem Schutz der Armee drusische Dörfer mit Kamikazedrohnen an, zündeten Häuser und Felder an und plünderten. Auch Israel, das sich als Schutzmacht der Drusen zu inszenieren sucht, griff in die Gefechte ein. Ihre Kampfflugzeuge hätten Panzer beim Dorf Sami bombardiert, meldeten die israelischen Streitkräfte.

Das syrische Verteidigungsministerium gab an, Spezialeinheiten entsandt zu haben, »um Zivilisten eine sichere Passage zu gewährleisten«. Der geistliche Führer der Drusen, Scheich Hikmat Al-Hajri wies diese Darstellung zurück. »Diese Kräfte haben nicht als Beschützer gehandelt«, heißt es in einer Erklärung vom Montag, »sondern unser Volk in den Grenzdörfern bombardiert und extremistische Banden mit schweren Waffen und Drohnen unterstützt.« Bereits im April und Mai hatte es Auseinandersetzungen zwischen Regierungskräften und drusischen Selbstverteidigungsgruppen gegeben. Die Kämpfe waren mit dem Zugeständnis beigelegt worden, dass örtliche Milizen für die Sicherheit in Suweida zuständig sind. Die Regierung sei ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen, die Sicherheit der Straße nach Damaskus zu gewährleisten. Sie habe vielmehr monatelang tatenlos zugesehen, während die Angriffe eskalierten und einen gefährlichen konfessionellen Charakter annahmen, beklagte die drusische Selbstschutzformation »Männer der Würde«.

Das Beharren von Präsident Al-Scharaa auf ein zentralistisches sunnitisch-arabisches Syrien fördert erste Separationsbestrebungen der darin nicht repräsentierten Minderheiten. Ermutigt sehen in seinem Vorgehen kann sich der frühere Al-Qaida-Mann Al-Scharaa durch den US-Sonderbeauftragten für Syrien und Botschafter in Ankara, Thomas Joseph Barrack. Dieser hatte vergangene Woche in Damaskus von den bisherigen kurdischen Verbündeten der USA ultimativ die Unterwerfung unter die Zentralregierung gefordert. Zugleich hatte Trumps Emissär deutlich gemacht, dass die USA ein von Kurden, Drusen und Alawiten gefordertes föderales System in Syrien ablehnen. Auf Betreiben Barracks, der Al-Scharaa als »vernünftigen« Führer mit George Washington vergleicht, wurde dessen Dschihadistenallianz HTS jüngst von der US-Terrorliste gestrichen. Schon nach den Massakern an Tausenden Alawiten in der Küstenprovinz Latakia im März konnte Al-Scharaa erkennen, dass er von internationaler Seite nichts zu befürchten hat, solange er nur gegenüber Israel kuscht.

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