Bulgarien fürchtet den Teuro
Von Megi Popowa
Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen passierte am 8. Juli das EU-Parlament. Mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten für den Beitritt Bulgariens zur Euro-Zone zum 1. Januar 2026. Die derzeitige Situation des südosteuropäischen Landes am Vorabend des Euro-Beitritts und seine Zukunft zu betrachten ist aufschlussreich. Einerseits aus wirtschaftlicher und makroökonomischer, aber vor allem auch aus gesellschaftspolitischer Perspektive.
Für die Regierungskoalition, die eher dem Spektrum Mitte-rechts zuzuordnen ist, und für die Mehrheit der politischen Vertreter ist der Beitritt zur Euro-Zone ein Höhepunkt der Integration Bulgariens in der EU, nachdem das Land vor einem Jahr Vollmitglied des Schengen-Raums geworden war. Doch der Euphorie der politischen Mehrheit im bulgarischen Parlament und in der Exekutive, für die der Beitritt ein Meilenstein ist, steht die weitverbreitete Skepsis der Mehrheit der Bürger gegenüber. Natürlich wird der Beitritt zur Euro-Zone auch von einem großen Teil der Bevölkerung gutgeheißen. Doch er hinterlässt bei einigen, die einen eher klassisch republikanischen, demokratischen Standpunkt vertreten, einen bitteren Beigeschmack – nicht weil dieser Akt Bulgarien keine wirtschaftlichen Vorteile bringen wird, sondern weil der Wille der Mehrheit einfach ignoriert wurde.
Vor zwei Jahren hatte die extrem rechte und Russland nahestehende populistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt) Schritte unternommen, um ein Referendum über den Beitritt Bulgariens zur Euro-Zone abzuhalten. Dies wurde vom Parlament und dem Verfassungsgericht als verfassungswidrig abgelehnt. Am 9. Mai dieses Jahres kündigte dann der Präsident der Republik, Rumen Radew, dem oft mangelnde Loyalität gegenüber der EU und der NATO vorgeworfen wird (obwohl er NATO-General ist), an, er werde ein Referendum über die Verschiebung des Beitritts des Landes zur Euro-Zone vorschlagen. Auch dieser Schritt wurde von den Parlamentariern abgelehnt. Diese Form der Entmündigung löste bei einem großen Teil der Bulgaren eine Welle des Protests aus. In einer vom Meinungsforschungsinstitut Mjara durchgeführten Telefonumfrage sprachen sich 63,3 Prozent der Befragten für die Durchführung eines Referendums über die Einführung des Euro in Bulgarien aus, während 35,3 Prozent dagegen waren.
Gleichzeitig begrüßt und unterstützt die Mehrheit der Bulgaren die Mitgliedschaft in der EU, das Staatenbündnis genießt dort im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ein hohes Maß an Vertrauen. Die Skepsis der Mehrheit der Bulgaren gegenüber dem Euro ist also nicht auf Ablehnung der Währung generell zurückzuführen, sondern ist viel pragmatischer gedacht. Die Hauptsorge, die der ablehnenden Haltung zugrunde liegt, ist begründet in steigenden Preisen für Alltagsgüter, besonders Lebensmittel und Dienstleistungen. Während die Ideologen des Euro-Skeptizismus, die eher der »populistischen Rechten« zuzuordnen sind, wirtschaftliche Argumente gegen den Beitritt vorbringen, ist die Mehrheit der Bürger nicht wegen der Euro-Zone oder der Währung selbst besorgt, sondern wegen des Übergangs, der voraussichtlich einen Nährboden für Spekulationen, Preissteigerungen und Inflation schaffen wird. Die Befürchtungen sind nicht unbegründet. Abschreckend wirkt das jüngste und naheliegendste Beispiel ist Kroatien, wo die Regierung eine Preisobergrenze für bestimmte Waren einführen musste.
Und: In Bulgarien hat es keine wirkliche Debatte über den Euro gegeben, nicht einmal aufklärende Kampagnen, und diese Tatsache könnte eine weitere Wunde in einer so fragilen Demokratie wie der des Landes hinterlassen. Bezeichnend ist, dass in den vergangenen Jahren die Wahlbeteiligung in Bulgarien stetig gesunken ist. Medien und Regierung neigen dazu, die Bürger über den Fortgang des Beitritts nur zu informieren und sie vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Megi Popowa ist Assistenzprofessorin für politische Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität Sofia »Hl. Kliment Ochridski«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (13. Juli 2025 um 23:51 Uhr)Zum selben Thema ein lesenswerter Artikel https://newleftreview.org/sidecar/posts/hard-currencies?pc=1690
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