Gegründet 1947 Sa. / So., 12. / 13. Juli 2025, Nr. 159
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 12.07.2025, Seite 8 (Beilage) / Wochenendbeilage

Tarte Tatin

Von Maxi Wunder

»Die NSA lässt in diesem Land nur noch Raks an die Macht«, meckert Udo. Er schält auf dem Balkon braune Stellen aus Äpfeln, während Rossi eine raucht, um die Obstfliegen zu vertreiben: »Raks? Ist das Jugendsprache?« – »Nein«, meint Udo, »das ist die Abkürzung für radikale Arschkriecher. Dieser Merz auf dem NATO-Mitgliedschaftsjubiläum in Berlin am Mittwoch – der will die BRD zum NATO-Streberland machen. Er sagt ganz offen, dass er so viele Waffen für die Bundeswehr kauft, um die Verteidigungsindustrie zu stärken. Und die anderen EU-Länder sollen mitziehen, damit die Mordinstrumente dank Abnahme großer Mengen für ihn günstiger werden. Er setze dabei auf Skaleneffekte …« Rossi nimmt einen tiefen Zug von ihrer Selbstgedrehten: »Ach so? Und meinen Enkeln erkläre ich den Dauerweltkrieg damit, dass die Waffen im Dutzend billiger sind? … Wegen der Skaleneffekte, klar … Scheiß BWL-Sprech.« Ich wedle mit dem Fächer, um den Qualm zu vertreiben. »Ja, komisch. Die USA haben ihr Ziel mit der Ukraine erreicht, der Riegel zwischen Russland und Westeuropa ist zu. Unsere Wirtschaft geht zugrunde, aber die BRD-Regierung stürzt weiter in den Selbstmord und fleht Trump an, ihr auch in Zukunft dabei zu helfen.« Doris betritt den Balkon, um uns zu vertreiben. »Fachsimpelt ihr immer noch über diesen Nahtod-Wipfel? Ab in die Küche zum Kuchen backen! Das Rezept stammt aus dem 19. Jahrhundert von den Schwestern Tatin aus Lamotte-Beuvron, südlich von Orléans – Weltkulturerbe!«

Tarte Tatin

Für den Mürbeteig 200 g Mehl, eine Prise Salz, 50 g Zucker und 100 g gekühlte, gewürfelte Butter mit den Händen zu Krümeln verarbeiten. Ein Bio-Ei dazugeben und zügig zu einem glatten Teig verkneten. Bei Bedarf ein bis zwei EL kaltes Wasser dazugeben. In Klarsichtfolie gewickelt etwa 30 Minuten im Kühlschrank ruhen lassen. In der Zwischenzeit ein Kilo säuerliche Äpfel schälen, vierteln, entkernen und mit Zitronensaft und evtl. etwas Calvados beträufeln. 150 g Zucker in eine ca. 5 cm hohe Pfanne mit ofenfestem Griff (26 cm Ø) geben. 100 g Butterstücke in Scheiben oder gewürfelt gleichmäßig darauf verteilen. Äpfel ebenfalls gleichmäßig darin verteilen bzw. so anordnen, dass ein Muster entsteht, die Äpfel gut festdrücken. Mürbeteig auf einer bemehlten Arbeitsfläche rund ausrollen (26 cm Ø), auf die Äpfel legen und vorsichtig andrücken. Tarte Tatin im vorgeheizten Backofen auf der zweiten Schiene von unten bei 200 Grad (Umluft 180 Grad) 50–60 Minuten backen. Zum Anrichten einen großen Teller oder eine Platte mit Rand kopfüber und bündig auf die Pfanne legen und die Tarte Tatin darauf stürzen. Sofort servieren.

Der wahre Grund für die Dorissche Anordnung ist die Tatsache, dass uns Freunde aus Tübingen ihre Apfelüberschüsse geschickt haben, damit wir die verbeulten Früchte weiterverarbeiten, denn es handelt sich dabei um Sieger, genauer gesagt um das Streuobst des Jahres 2025 in Baden-Württemberg: den Böblinger Straßenapfel. Er fällt zwar nicht weit vom Stamm, aber im Gegensatz zur deutschen Außenpolitik fällt er eigenständig und will nicht bis nach Moskau rollen.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Mehr aus: Wochenendbeilage