Offener Brief von früheren EU-Botschaftern zur Lage in Palästina

27 ehemalige Botschafter und Diplomaten der EU haben sich mit Blick auf die Situation in Palästina in einem am Freitag veröffentlichten offenen Brief an die obersten Leitungsebenen der EU- Kommission, des -Rates, des -Parlaments sowie des Europäischen Auswärtigen Dienstes gewandt.
Wir sind eine Gruppe von 27 ehemaligen Botschaftern und Botschafterinnen der Europäischen Union, die in der Region gedient haben und weiterhin oder ein starkes Interesse an den dortigen Geschehnissen haben. Wir möchten unsere tiefe Besorgnis über die Reaktion der EU auf die Entwicklungen seit den abscheulichen Anschlägen vom 7. Oktober 2023 zum Ausdruck bringen. (…)
Kurz gesagt: Israels Reaktion auf den 7. Oktober war, wie mehrere UN-Instanzen feststellten, wahllos in den Mitteln und völlig unverhältnismäßig. Wir weisen darauf hin, dass der Internationale Gerichtshof in seinen einstweiligen Verfügungen im vergangenen Jahr zu dem Schluss kam, dass ein plausibles Risiko eines Völkermords bestehe. (…)
Vor diesem Hintergrund beschloss im Mai der Rat der Außenminister der EU das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel, das alle Aspekte der Beziehungen zwischen beiden Seiten abdeckt, zu überprüfen. Grundlage dafür war der Vorwurf, Israel verstoße gegen Artikel 2. Dieser besagt, dass sich beide Seiten zur »Achtung der Menschenrechte und demokratischen Grundsätze« verpflichten, die ihre Innen- und Außenpolitik bestimmt und einen wesentlichen Bestandteil dieses Abkommens darstellt. (…)
Die Hohe Vertreterin (der EU für Außen und Sicheheitspolitik, jW) und Vizepräsidentin Kallas stellte in ihrer Pressekonferenz am 23. Juni klar, dass Israel laut der Überprüfung tatsächlich gegen Artikel 2 verstoßen hatte, verzichtete jedoch auf konkrete Maßnahmen (…).
Es bleibt abzuwarten, ob es zu einem wirklich dauerhaften Waffenstillstand in Gaza kommt. Doch selbst wenn die Feindseligkeiten ausgesetzt werden, erscheint es uns notwendig, der israelischen Regierung über bloße Erklärungen hinaus eine klare Botschaft zu senden, dass die EU wirksame Maßnahmen ergreifen wird, und sei es nur, um den Druck auf die israelische Regierung aufrechtzuerhalten, bis sie bereit ist, ihre Waffen schweigen zu lassen und Diplomatie statt Aggression zu wählen – etwas, was sie beim Bruch des vorherigen Waffenstillstands im vergangenen März offensichtlich versäumt hat.
Sollte kein Konsens zwischen den Institutionen und Mitgliedstaaten über eine vollständige Aussetzung des Abkommens erzielt werden, fordern wir die Kommission und den Auswärtigen Dienst dringend auf, zumindest die Aussetzung derjenigen Teile des Abkommens vorzuschlagen, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, insbesondere die Handelspräferenzen und das Horizon-Forschungsprogramm. (…) Ein solcher Vorschlag sollte auch ein vollständiges Verbot der Einfuhr aller Güter und Dienstleistungen aus illegalen israelischen Siedlungen im Westjordanland sowie aller Geschäftsbeziehungen mit diesen beinhalten. (…)
In diesen unsicheren Zeiten wünschen wir uns natürlich, dass die EU ihre Rolle als wichtiger Akteur auf der Weltbühne wahrnimmt sowie ihre Bürger, ihre Interessen und ihre Werte schützt, wo immer es nötig ist, und sich für die Anliegen einsetzt, die ihre politische DNA ausmachen, wo immer es möglich ist. Ein wesentlicher Teil davon ist die Entwicklung eines glaubwürdigeren und konsequenteren Ansatzes im Nahostkonflikt.Vollständig auf www.jungewelt.de
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Raneen Sawafta/REUTERS23.05.2025
Feuer auf Diplomaten nachrangig
- Middle East Images/IMAGO18.12.2024
Diplomatie mit Terroristen
- Mamoun Wazwaz/APAimages/imago30.11.2022
Am »Siedepunkt«