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Aus: Ausgabe vom 11.07.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Millionen für Viehbetriebe

Tagesgeschäft Subventionsbetrug

Griechenlands Regierung beschäftigt mal wieder die Justiz. Mitsotakis »weiß von nichts«
Von Hansgeorg Hermann
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Hat nur ein Bauernopfer zu bieten und gibt sich sonst ahnungslos: Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis

Betrug, Korruption und Bestechung waren Griechenlands Regierungen nie fremd. Kaum jemand wundert sich daher an der Ägäis, dass sich die Justiz der Europäischen Union seit Wochen mit der politischen Führung in Athen beschäftigen muss. Mal wieder geht es um massiven Subventionsbetrug. Diesmal hat Brüssel einige hundert Millionen Euro für Schafherden, Olivenplantagen und sonstige land- oder viehwirtschaftliche Produkte bezahlt, die nie existierten. Im Fokus stehen diesmal vor allem die schlauen Bauern und Hirten der Insel Kreta, die – seit es Geld aus Europa gab – über die Jahrzehnte mit immer neuen Finten die EU-Administration austricksten.

Der rechtsnationale Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, selbst ein Kreter aus dem Bezirk Chania, wusste nach eigener Aussage »von nichts«, gab aber in der vergangenen Woche zu, dass die Kontrollinstanzen, die in Athen für die Verteilung der Gelder zuständig sind, »versagt haben«. Die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) verlangt offenbar seit Monaten Aufklärung, die geschmeidige Regierung in Athen hat bisher lediglich mit Worten und, immerhin, mit dem vorläufigen Rücktritt des zuständigen Ministers reagiert.

Mavroudis »Makis« Voridis, der dem faschistischen Flügel der Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) zuzurechnen ist, war zwar längst nicht mehr für den Agrarsektor verantwortlich, sondern zum Zeitpunkt seiner Demission Migrationsminister, musste aber als Mitsotakis’ Bauernopfer zur Beruhigung der Ermittler herhalten. Er selbst versicherte freilich, er habe sich am 27. Juni nur deshalb aus dem Regierungsgeschäft zurückgezogen – »um meine Unschuld zu beweisen«, wie er vorhielt. Die wirklichen Täter – abgesehen von den Plantagenbesitzern und den in Brüssel bestens vernetzten Schaf- und Ziegenhaltern – säßen ja nicht in den Ministerien, heißt es in Mitsotakis’ Umfeld, sondern in der »Kontrollbehörde« OPEKEPE (Organismus zur Förderung der Kommunen). Tatsächlich hält die EU-Staatsanwaltschaft die dortige Arbeit offenbar für ein bis ins Detail »organisiertes Betrugssystem«.

Bereits am 17. Juni verdonnerte die EU-Justiz Griechenland zu einer Geldstrafe in Höhe von 45 Millionen Euro, vorerst. Weshalb Mitsotakis ankündigte, die OPEKEPE Ende des Jahres aufzulösen und eine Ersatzinstitution zu gründen: neue Kontrollmechanismen, »Null Toleranz angesichts von Gefälligkeitsverhalten«. Ein schwer umzusetzender Plan in einem Land, in dem vor allem die politische und gesellschaftliche Oberschicht seit Generationen von eben diesen »Gefälligkeiten« profitiert. Ein aktuelles Beispiel ist nicht nur für die Oppositionsparteien die Wahl des ND-Politikers Konstantinos Tasoulas zum Staatspräsidenten im März dieses Jahres. Tasoulas Weg nach ganz oben – vom Bürgermeister des Athener Stadtteils Kifissia zum Kulturminister und Parlamentspräsidenten bis an die Spitze der »Dimokratia« – wird seit 1996 begleitet von dem nach wie vor ungeklärten Verdacht, in seiner Zeit als Rathauschef in Kifissia den lokalen Immobilienunternehmer Wassilis Tsalkitzis zwecks Genehmigung eines Bauprojekts um eine kleine Gefälligkeit in Höhe von damals 70 Millionen Drachmen (rund 205.000 Euro) gebeten zu haben.

Inzwischen beharken sich die Oppositionspartei PASOK und der von Mitsotakis an die Front geschickte Gesundheitsminister Adonis Georgiadis mit knallharten Phrasen. Weil Georgiadis die auf Kreta von jeher politisch dominanten Sozialdemokraten für die betrügerischen Beziehungen zwischen OPOKEPE und dem Hirtenvolk verantwortlich machte, bemühte die PASOK Vokabular aus Bürgerkriegszeiten: Georgiadis bewerfe die Opposition »mit Dreck«, dabei wüssten die Griechen sehr gut um die Rolle des Ministers als »bekannter, rechtsextremer Gestapo-Agent und professioneller Lügner« des Regierungschefs.

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