250 Millionen im Streik
Von Thomas Berger
Verrammelte Geschäfte, stillgelegte Betriebe, blockierte Bahnlinien und Highways – Indien hat am Mittwoch abermals einen Generalstreik erlebt. Nach übereinstimmenden Berichten sollen sich landesweit über 250 Millionen Menschen beteiligt haben, um gegen die Politik der von den Hindunationalisten der Bharatiya Janata Party (BJP) von Premier Narendra Modi dominierten Regierung zu protestieren, die auf Arbeiter und Bauern wenig Rücksicht nimmt und die Konzerne begünstigt. Die ohnehin protestierenden Bauern waren beim Bharat Bandh ebenso an Bord wie Beschäftigte der Industrie, Lehrkräfte und Angestellte in Banken und Behörden. Selbst aus dem IT-Sektor gab es Unterstützung. Der Bharat Bandh ist in Indien eine ursprünglich noch aus dem Unabhängigkeitskampf stammende Protestform, mit friedlichen Mitteln das öffentliche Leben stillzulegen.
Dass verschiedene gesellschaftliche Gruppen gemeinsam auf der Straße waren und der Protest von einem heterogenen Bündnis koordiniert war, wurde in etlichen Beiträgen als zukunftsweisend betont. Die Organisation des Bharat Bandh lag federführend in den Händen eines Bündnisses, dem zehn unter anderem den beiden kommunistischen Parteien und der sozialliberalen Kongresspartei (INC) nahestehende nationale Gewerkschaftsverbände angehören. Lediglich die Bharatiya Mazdoor Sangh, die mit der BJP verbündet ist, hatte sich der gemeinsamen Aktion verweigert.
Am stärksten war die Beteiligung offenbar in den Unionsstaaten Jharkhand, Tripura, Bihar und dem linksregierten Kerala. Dort kam es laut Berichten, etwa von Peoples Dispatch, nahezu zu einem kompletten wirtschaftlichen Stillstand. Ein sehr starkes Signal ging auch vom großen Flächenstaat Westbengalen aus, wo die Linksfront einst mehr als drei Jahrzehnte am Stück regiert hatte, seit der Jahrtausendwende aber kontinuierlich an Einfluss verloren hat. Jetzt meldeten sich dort vor allem die gewerkschaftlichen Organisationen, aber auch die linken Parteien selbst machtvoll zurück – etwa mit gravierenden Störungen des regionalen Bahnverkehrs.
Verstärkte Privatisierungen staatlicher Betriebe und mehr Outsourcing sind nur zwei von diversen Kritikpunkten der Gewerkschaftsbewegung. Besonders im Fokus steht ein Bündel von vier unter dem Deckmantel »Wirtschaftsleben zu erleichtern« bereits im Jahr 2020 beschlossenen Gesetzen, die gewerkschaftliche Organisation in den Betrieben deutlich erschweren, Streikrechte einschränken, Arbeitszeiten verlängern und zugleich Verstöße von Unternehmen entkriminalisieren. Kritisiert wird zudem, dass in staatlichen Bereichen wie der Eisenbahn als größer Betrieb eher Pensionäre reaktiviert statt junge Leute neu eingestellt werden, obwohl 65 Prozent der Bevölkerung jünger als 35 Jahre sind und gerade bei den 20 bis 25jährigen mit oft guter Ausbildung eine Rekordarbeitslosigkeit herrscht.
Auch die Bauernbewegung ist sauer, weil es auf mehrere Protestaktionen nur halbherzige Zugeständnisse der Regierung gab.
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