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Aus: Ausgabe vom 11.07.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Gewerkschaftskonferenz für Frieden

»Trotz der klaren Beschlusslage verhalten sie sich da eher passiv«

Über die Notwendigkeit einer breiten Friedensbewegung und die Rolle der Gewerkschaften. Ein Gespräch mit Heinz Bierbaum
Von Susanne Knütter
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Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg (Berlin, 3.10.2024)

Warum wird die bundesweite Gewerkschaftskonferenz für den Frieden von der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) ausgerichtet und nicht vom Verdi- oder IG-Metall-Bundesvorstand?

Die friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz in Salzgitter ist die dritte Konferenz, die wir machen. Die erste in Hanau 2023 ging wesentlich von der IG Metall dort aus. Wir haben sie unterstützt. Warum so etwas nicht der Bundesvorstand ausrichtet, hängt wohl damit zusammen, dass es in den Gewerkschaften zwar eine generelle Friedensausrichtung gibt, aber dennoch durchaus unterschiedliche Auffassungen. Wir richten die Konferenzen mit den Gliederungen in den Gewerkschaften aus, die dafür sind.

Und warum findet die Konferenz diesmal in Salzgitter statt?

Die Verwaltungsstelle Salzgitter hat immer schon eine sehr politische Gewerkschaftsarbeit gemacht. Sie ist eine eher linke IGM-Geschäftsstelle, wenn man das mal so sagen darf.

Auf der letzten friedenspolitischen Gewerkschaftskonferenz in Stuttgart vor gut einem Jahr forderten die Teilnehmer, man solle angesichts der Lage endlich in die Aktion kommen und nicht mehr nur erklären. Was hat sich seither in dieser Hinsicht getan?

Da hat sich so furchtbar viel nicht getan. Es gibt Teile der Gewerkschaften, die auch an den großen Demonstrationen teilgenommen haben. Trotz der eigentlich klaren Beschlusslage der Gewerkschaften zu Fragen des Friedens verhalten sie sich da eher passiv. Eine Minderheit ist in der Friedensfrage aktiv. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Gewerkschaftskonferenzen, die wir organisieren, immer mehr Zulauf haben. Das hängt mit der objektiven Lage zusammen.

Wie viele haben sich angemeldet?

Wir haben um die 200 Anmeldungen. Hinzu kommen die Onlinezuschauer. Das viel diskutierte sogenannte Manifest von einem Teil der SPD werden wir aufgreifen. Ralf Stegner, der schon lange vorher für die Konferenz eingeplant war, wird sprechen. Das sorgt zusätzlich für Aufmerksamkeit.

Was ist das Ziel oder der Anspruch dieser Konferenz?

Wir wollen deutlich machen, in welcher beunruhigenden Situation wir uns befinden. Es geht in Richtung Kriegsvorbereitung. Die Rüstung wird besorgniserregend hochgefahren, während für andere Dinge kein Geld da ist. Die Industriepolitik ist zunehmend militärisch ausgerichtet. Ein Teil sieht in der Rüstung sogar den Ausweg aus der industriellen Krise.

Viele Menschen nehmen die Aufrüstung wahr, ohne aber darin eine konkrete Kriegsvorbereitung zu sehen.

Die Aufrüstung wird ja damit begründet, dass ansonsten demnächst die Russen vor dem Brandenburger Tor stehen würden – zugespitzt formuliert. Das ist eine Bedrohungslüge. Dass das Vorgehen Putins zu verurteilen ist, daraus haben wir nie einen Hehl gemacht. Aber erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sprechen Politiker davon, dass wir kriegstüchtig werden müssen. Hinzu kommt die enorme Werbung für die Bundeswehr. Das sind Punkte, wo man sagen muss: Hier werden wir auf eine Auseinandersetzung vorbereitet, die wir gar nicht führen wollen.

Wie werden Israels Krieg und der Ukraine-Krieg aktuell in der Rosa-Luxemburg-Stiftung diskutiert?

Wir haben das Massaker der Hamas verurteilt. Aber das Vorgehen Israels ist völkerrechtswidrig. Das hat für mich inzwischen den Charakter eines Völkermords und der Vertreibung. Das ist auch in der Stiftung inzwischen deutlich. Sicherlich gibt es auch noch andere Auffassungen. Aber als Stiftung haben wir uns immer bemüht, die Kontakte zu denjenigen in Israel zu halten, die für Frieden eingetreten sind. Zur Ukraine gibt es in der Stiftung unterschiedliche Auffassungen. Ich selber habe mich immer sehr deutlich gegen Waffenlieferungen ausgesprochen. Als Stiftung wollen wir eine Plattform für die notwendige Diskussion darüber sein. Wichtig ist uns eine eindeutige Ausrichtung auf diplomatische Lösungen.

Wie nehmen Sie das diesbezügliche Agieren der Partei Die Linke wahr? Hat die Stiftung die Zustimmung der Landesverbände in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zu den Grundgesetzänderungen für die Aufrüstungsmilliarden im Bundesrat im März kritisiert?

Persönlich fand ich das Verhalten unmöglich. Aber wir maßen uns als Stiftung nicht an, direkt etwas zu Entscheidungen von Ländervertretungen der Partei zu sagen.

Aber hinterher gab es ja auch keine nennenswerte Diskussion innerhalb der Partei darüber.

Den Eindruck habe ich auch. Ich fand das Verhalten des Parteivorstands in dieser Frage eher zu zurückhaltend. Einige vom Parteivorstand haben klar gesagt, dass das überhaupt nicht geht, und das, finde ich, muss unterstrichen werden.

Ist diese thematische Trennung zwischen den verschiedenen Gewerkschaftskonferenzen, die die RLS organisiert, so gewollt? Man macht mal eine Konferenz zu Frieden und Gewerkschaften, mal so eine Streikkonferenz.

Es gehört zusammen. Das ist völlig klar. Was wir gegenwärtig erleben, widerspricht grundsätzlich dem, was die Gewerkschaften wollen. Und deswegen gehört auch die Friedensfrage in das Zentrum der gewerkschaftlichen Arbeit. Darum bemühen wir uns. Ich habe das in meiner Eröffnung sehr deutlich gemacht. Mit der Aktion gegen die Wehrpflicht von der Gewerkschaftsjugend hatten wir dann auf dem Abschlusspodium doch auch einen Schwerpunkt auf der Konferenz selber.

Was ist, wenn es nicht gelingt, die Gewerkschaften in der ja einigermaßen schwachen Friedensbewegung zu verankern?

Wenn es gar nicht gelingen sollte, dann ist es furchtbar. Auch in der Friedensbewegung gibt es unterschiedliche Auffassungen. Aber wir brauchen jetzt wirklich eine breite gesellschaftliche Bewegung. Das ist notwendig. Und dazu gehören die Gewerkschaften in jedem Fall. Ohne die Gewerkschaften wird es diese breite Bewegung nicht geben. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.

Heinz Bierbaum ist Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Die dritte Gewerkschaftskonferenz für den Frieden findet am Freitag und Sonnabend in Salzgitter statt und wird auch per Livestream übertragen

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