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Aus: Ausgabe vom 11.07.2025, Seite 1 / Titel
Sanktionen gegen Albanese

Albanese soll schweigen

USA sanktionieren UN-Sonderberichterstatterin. Verhandlungen zu Waffenruhe in Gaza stocken, weil Israel neue Forderungen stellt
Von Jakob Reimann
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Sie bleibt unbeirrt: Seit 2022 dokumentiert sie beharrlich die Rechtsbrüche in Palästina (Genf, 11.12.2024)

Sie soll nicht sagen, was ist: Die US-Regierung hat am Mittwoch Sanktionen gegen Francesca Albanese verhängt. Die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete führe eine »Kampagne politischer und wirtschaftlicher Kriegführung gegen die Vereinigten Staaten und Israel«, schrieb US-Außenminister Marco Rubio auf X. Dies werde »nicht länger toleriert«. »Wir werden unseren Partnern bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung stets zur Seite stehen«, so Rubio, was scheinbar die nahezu vollständige Zerstörung des Gazastreifens bedeutet. Insbesondere diffamierte der Rechtsaußenpolitiker Albanese »wegen ihrer unrechtmäßigen und beschämenden Bemühungen«, sich für die Durchsetzung der im vergangenen November vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gegen israelische Regierungsmitglieder erlassenen Haftbefehle einzusetzen. Die Sanktionen sind auch eine Reaktion auf die Veröffentlichung von Albaneses jüngsten Bericht zur »Ökonomie des Genozids«, in dem sie die wirtschaftlichen Profiteure des Krieges gegen die Menschen in Palästina offenlegte.

Das US-Finanzministerium hat Albanese am Mittwoch auch auf die sogenannte SDN-Sanktionsliste gesetzt, die US-Personen und -Unternehmen jegliche wirtschaftliche und finanzielle Kontakte mit den gelisteten Personen verbietet. Auf der SDN-Liste befinden sich auch Syriens gestürzter Präsident Baschar Al-Assad, Wladimir Putin und Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei. Sanktionen gegen die islamistische Führung in Damaskus hatte Washington Ende Juni aufgehoben. Die Sanktionierung Albaneses verurteilte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International: »Dies ist ein schamloser und transparenter Angriff auf die Grundprinzipien internationaler Gerechtigkeit«. Auch Albanese selbst beschrieb die Maßnahmen gegenüber Al-Dschasira als »mafiöse Einschüchterungstaktik« und betonte, sie werde sich davon nicht in ihrer Arbeit abhalten lassen.

Der vom IStGH gesuchte israelische Premier Benjamin Netanjahu hielt sich zu der Zeit zu Konsultationen mit hochrangigen Regierungsvertretern in Washington, D. C., auf. Bereits am Montag erklärte Kriegsminister Israel Katz, er habe die Streitkräfte angewiesen, auf den Ruinen der Stadt Rafah ein Lager zu errichten, in das final alle 2,1 Millionen Einwohner des Küstenstreifens eingesperrt werden sollen, um sie dann zur »freiwilligen Ausreise« in Drittländer zu bewegen. Im Leitartikel der israelischen Zeitung Haaretz vom Donnerstag wird es ironisch als »das moralischste Konzentrationslager der Welt« bezeichnet. Der Bau des offiziell »humanitäre Stadt« genannten Lagers soll während der 60tägigen Waffenruhe beginnen, die derzeit zwischen Israel und der Hamas verhandelt wird, so Katz weiter.

Die im katarischen Doha stattfindenden Gespräche stocken jedoch, weil Tel Aviv am Mittwoch abend erneut den Forderungskatalog erweiterte und neben der Kontrolle von Hilfslieferungen nun auch auf der formellen Anerkennung der Besetzung Rafahs besteht. Die Hamas werde dem nicht zustimmen, erklärte ein Hamas-Vertreter gegenüber dem US-Journalisten Jeremy Scahill. Unterdessen stehen die Reste des bereits in Trümmern liegenden Gesundheitssystems in Gaza vor dem endgültigen Kollaps, insbesondere im Norden, wo die Treibstoffreserven zum Betrieb der Generatoren in Kürze aufgebracht werden sein. »Hunderte werden durch die Schließung der Krankenhäuser im nördlichen Gaza sterben«, sagte Marwan Al-Hams, der Leiter der Feldkrankenhäuser in der abgeriegelten Enklave.

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