Gen Z begehrt auf
Von Sven Kurz, NairobiMan versucht sich so durchzuschlagen, irgendwie. Keine Jobs, eine Mahlzeit am Tag, keine Perspektive – so geht es vielen in Kenia. In Nairobi, Ngong, Kisii, im ganzen Land. Das gilt auch für die Hochgebildeten, die, die sich ein teures Studium finanziert haben; oft unter großen Entbehrungen und mit Hilfe von Verwandten. Bildung ist nicht frei in Kenia. Und nach dem Studium: Arbeitslosigkeit, Depression. Diese Verzweiflung ist es, die die junge Generation, die Gen Z, immer wieder auf die Straße treibt. Trotz der Angst, denn jeder weiß: Protestieren in Kenia ist im Moment lebensgefährlich.
Sabasaba, der siebte Siebte, ist ein stolzes Datum in der Geschichte des ostafrikanischen Staates, denn am 7. Juli 1990 holten sich die Kenianer ihre Demokratie zurück. Es war der Anfang vom Ende des damaligen Einparteienstaates. Die Demokratie sehen auch heute wieder viele bedroht – immer wieder wird Präsident William Ruto vorgeworfen, sich durch Wahlbetrug ins Amt gebracht zu haben. So gingen am 35. Jahrestag dieses historischen Datums erneut Tausende auf die Straße. Doch was als Gedenken an die Demokratiebewegung beginnen sollte, endete in einem der blutigsten Tage seit Beginn der Gen-Z-Proteste: Mindestens zehn zumeist junge Menschen haben die Wahrnehmung ihres verbrieften Rechts auf Meinungsfreiheit mit dem Leben bezahlt, hinzu kommen 29 Verletzte, zwei Entführungen, die Zahl der Verhaftungen liegt weit über den gemeldeten 37 Fällen.
Besonders dramatisch war die Lage in Kangemi, einer der größten informellen Siedlungen Nairobis. Dort wurden zwei Männer erschossen – einer von ihnen war auf dem Heimweg von der Arbeit und geriet bei der Auseinandersetzung von Demonstranten und Polizei zwischen die Fronten. In Kitengela starb ein junger Mann durch Schüsse in Hals und Brust, ein weiterer Demonstrant wurde ins Bein getroffen. In Ngong kamen zwei weitere Menschen durch Polizeikugeln ums Leben. Von Nairobi bis Eldoret verwandelten sich ganze Städte in Geisterstädte. Geschäfte blieben geschlossen, der öffentliche Transport kam zum Erliegen, und schwarze Rauchsäulen von brennenden Reifen stiegen über den Straßensperren auf.
Systematisch scheint die Regierung Gewalt gegen die friedlichen Proteste einzufordern: Von Innenminister Kipchumba Murkomen kursiert ein Video, auf dem er Polizeikräfte anweist: »Deshalb bekommt ihr Waffen. Schützt euer Leben. Eröffnet das Feuer und erschießt sie, wenn es etwa 20 Leute oder so sind – und das ist ein Befehl von oben, nicht nur von mir.« Seine Worte lösten scharfe Kritik von Menschenrechtsgruppen und Oppositionspolitikern aus, eine Petition wurde am High Court eingereicht, die Murkomen aus dem Amt drängen und ihn persönlich für die Anstiftung zu außergerichtlichen Tötungen haftbar machen will.
Die Todesfälle vom Montag reihen sich in eine erschreckende Bilanz ein: Seit den erneuten Protesten gegen Ruto und seine Finanzpläne im Juni sind nach Angaben von Capital FM mehr als 60 Menschen getötet worden. Allein in den vergangenen drei Wochen starben 39 Demonstranten bei Zusammenstößen mit Einsatzkräften. Menschenrechtsorganisationen dokumentieren zudem zahlreiche Fälle von Entführungen, Folter und gewaltsamem Verschwindenlassen von Aktivisten. Und trotz allem lässt ihr Mut nicht nach: Auf den Straßen skandierten die Demonstranten »Wantam« – ein Slangausdruck für »One Term«, der deutlich macht, dass sie Präsident Ruto nur eine Amtszeit zugestehen wollen.
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