Stell dich an, aber nicht hinten!
Von Andreas Gläser
Nach der Saison ist vor der Saison, und dazwischen gibt es so einige Testspiele. Vergangenen Sonnabend kam es im Sportforum Hohenschönhausen zum Derby zwischen dem Berliner FC Dynamo und Hertha BSC. Das Spannendste war vorab, wie es mit dem Kartenvorverkauf für das DFB-Pokalspiel zwischen dem BFC und dem VfL Bochum klappen würde. Deshalb rückten viele Fans für das Testspiel, was für 17.00 Uhr angesetzt worden war, schon gegen 14.30 an, weil um diese Zeit die Tageskasse öffnete, und man ab 15.00 Uhr ins Stadion gelassen wurde, wo am Fanartikelstand um einiges später ein tapferer Fanbetreuer die heißen Tickets gegen große Scheine einzutauschen begann. Only cash, please. »Zwölf Karten hätt’ ick jerne, macht 300 Euro.« – »Richtich.« – »Bitte.« – »Danke.« Na, war doch einfacher als in den 80ern, wo es galt, an Europapokalkarten zu kommen.
Gleich nach mir machte der Tapfere die Kasse kurz zu, denn die ersten Tausender mussten umgebunkert werden. Niemand murrte herum. Erstmal ein Bier im Vereinsheim ziehen, aber welch Schreck, auch hier standen sie wie irre an. Allerdings vor der spontan arrangierten zweiten Kartenkasse, nicht vor den Zapfhähnen. Prima. Es herrschte Disziplin. Kaum jemand drängelte sich vor, getreu der Losung: »Stell dich an, aber nicht hinten!« Nur noch eine Stunde bis zum Anpfiff bei bestem Biergartenwetter, inmitten des gemischten Publikums. Weinrot-Weiß-Blau. BFC und Hertha, da gibt es keine kollektive Fanfreundschaft, aber eine friedliche Koexistenz. »Wie wenn de als Blueser mal zum Jazz oder Metal jehst.« – »Da sind halt andre Leute, die merken, du bist neu.« – »Bloß keen übertriebenet Jewese.« Ich überlegte kurz, ob ich den Herthanern an unserem Tisch den Kauf meiner drei Bochum-Tickets offerieren sollte, die ich geordert hatte, ohne genau zu wissen, für welchen meiner dynamischen Kumpels genau. Denn viele haben es mit dem Vorverkauf nicht so drauf. Dafür wissen sie, mit Computerproblemen und ähnlich gruseligem Scheiß umzugehen.
Kaum hatte ich das gedacht, sprach ein Herthaner, er würde sich jetzt nach Pokalkarten anstellen. Na bitte. Das Kartenkaufen dauerte inzwischen nur unwesentlich länger als das Bierbesorgen. Das anstehende Spiel sollte in wenigen Minuten beginnen. Was durfte man erwarten? Der BFC trat mit einer nahezu neuen Mannschaft an, bei Hertha hielt sich die Fluktuation in Grenzen. Würden die Gastgeber wieder mit einem 0:2 davonkommen, wie vor zwei Jahren? Damals fand das Spiel vor 10.000 Zuschauern im inzwischen abgerissenen großen Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark statt, wo derzeit eine »Baustelle« dem Abwirtschaften des hauptstädtischen Fußballsports gedenkt. Das Stadion im Sportforum ist wiederum nur für 4.000 Zuschauer zugelassen. Ob überhaupt so viele kommen würden? Im Vorfeld war etwas Unmut aufgrund des Preises aufgekommen. So einige Fans verzichteten. »Ey, 20 Euro fürn Testspiel.« – »Hm, na ja.« – »Lass uns langsam rüber zur Jejenjerade loofen.«
P.S.: Der BFC Dynamo unterlag Hertha BSC 0:6 (0:1) vor offiziell 3.917 Zuschauern.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.