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Aus: Ausgabe vom 08.07.2025, Seite 8 / Abgeschrieben

Offener Brief von Hochschulangestellten und Studenten zur Lage in Gaza

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Flüchtlingslager in Gaza-Stadt (7.7.2025)

Am heutigen Dienstag geht ein Offener Brief (datiert von Ende Juni) von Lehrenden, Universitätsangestellten, Studierenden und Bürgern an Bundeskanzler Merz zur Lage in Gaza online. Hier in Auszügen dokumentiert:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Merz,

die militärischen Angriffe auf den Gazastreifen und die weitgehende Verweigerung humanitärer Hilfe für das Gebiet durch Israel dauern seit nunmehr über 20 Monaten an. Mindestens 50.000 Menschen wurden gewaltsam getötet und laut medizinischen Fachkreisen fand außerdem eine unbekannte, aber enorme Anzahl von Menschen durch Hunger, Unterernährung und kriegsbedingte Krankheit oder Nichtbehandlung den Tod.

(…)

Vor diesem Hintergrund ist in den letzten Wochen auch von seiten westlicher Staaten scharfe Kritik an der Kriegführung Israels lautgeworden. Auch Sie und die von Ihnen geführte Bundesregierung haben mitunter klar gesprochen – eine Entwicklung, die wir begrüßen und unterstützen. Aber wie das Beispiel des amerikanischen Präsidenten Joe Biden gezeigt hat, der Israel immer wieder rote Linien setzte, die dann von Israel jedes Mal folgenlos missachtet wurden, reichen starke Worte nicht aus. (…)

Wir meinen, dass den dankenswerten, deutlichen Worten der mächtigsten europäischen Staaten Großbritannien, Frankreich und Deutschland jetzt Taten folgen müssen. (…) Deutschland muss daher jetzt eintreten für:

– Einen sofortigen Waffenstillstand

– Die sofortige Wiederzulassung der internationalen Hilfslieferungen an Gaza

– Die Freilassung aller israelischen Geiseln im Gegenzug gegen die Freilassung eines Großteils der 10.000 palästinensischen Gefangenen in Israel und den besetzten Gebieten

– Den vollständigen Abzug aller israelischen Truppen aus dem Gazastreifen und ein endgültiges Ende der Kampfhandlungen

– Einen Wiederaufbau des Gazastreifens ohne Vertreibung der Palästinenser und mit internationaler Hilfe. (…)

Auch nach über 20 Monaten verheerender Kriegführung setzt Israel weiterhin auf Gewalt, und diesem Weg der Gewalt muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden.

Zum Glück hat Deutschland viele legitime nicht-militärische Mittel hierfür, unter anderem:

– Eine offene Sprache, die Verbrechen als Verbrechen benennt, nicht nur, wenn sie von Hamas oder anderen Gegnern, sondern auch, wenn sie von Israel begangen werden

– Die unmissverständliche Klarstellung, dass ein Bekenntnis der BRD zu Israel niemals auch ein Bekenntnis zu den Verbrechen der jeweiligen Regierung Israels sein kann

– Ein sofortiges Waffenembargo gegen Israel, das zumindest dem Anspruch nach auch rückwirkend für bereits gelieferte Waffen gilt, die ja derzeit immer noch im Einsatz sind

– Die Aberkennung wirtschaftlicher (z. B. EU-Assoziierungsabkommen) und anderer Privilegien, die Israel als nichteuropäischer Staat in Deutschland und Europa genießt

– Zielgerichtete, aber einschneidende wirtschaftliche Sanktionen, solange Israel betreibt, was Menschenrechtsorganisationen als ethnische Säuberung und Genozid bezeichnen. Deutschland, die EU, Europa und die USA können all das einzeln und gemeinsam tun und sich dabei mit der vielbeschworenen internationalen Gemeinschaft zusammenschließen. (…)

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