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Aus: Ausgabe vom 21.05.2025, Seite 12 / Thema
Rüstungsproduktion BRD

Todesmaschinen vom Bodensee

In Friedrichshafen baut die Firma MTU Motorenteile für den US-Export. Die in den USA zusammengebauten Panzermotoren werden nach Israel exportiert und dort für Kriegsverbrechen eingesetzt
Von Benjamin Kirchhoff
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Mit deutschen Fabrikaten gegen die Palästinenser: Israelische Panzer beschießen Gaza (21.2.2024)

Staub und Schutt lässt der Einschlag der israelischen 120-Millimeter-Panzergranate im November 2023 im Büro der französischen Presseagentur AFP in Gaza-Stadt zurück. In den ersten Wochen des Gazakriegs sei die Zerstörung der Medieninfrastruktur ein strategisches Ziel der israelischen Armee (IDF) gewesen, so das Journalistennetzwerk »Forbidden Stories«. Audioexperten der französischen Zeitung Le Monde konnten anhand des Schussgeräusches nachweisen, dass das Geschoss aus einem Panzer der israelischen Armee abgefeuert wurde.¹ Der Antrieb des israelischen Standardpanzers »Merkava IV« kommt aus Deutschland. In Friedrichshafen am Bodensee stellt Rolls-Royce Solutions/MTU die wichtigsten Grundelemente des Motors dieser Kampfmaschine her. Diese Recherche zeigt, wie viel deutsche Technik in dem israelischen Panzerfahrzeug steckt, mit dem die IDF schwere Menschenrechtsverletzungen in den palästinensischen Gebieten begeht.

Die MTU-Fabrik hat eine lange Tradition in der Rüstungsproduktion. Die Vorgängerfirma Luftfahrzeug-Motorenbau GmbH wurde 1909 gegründet und produzierte am Standort bereits im Ersten Weltkrieg Flugzeugmotoren für das Militär. 1918 wurde das Unternehmen umbenannt in Maybach-Motorenbau GmbH und stellte Motoren für die ersten privaten Autos her. Im Zweiten Weltkrieg war die Firma wichtiger Lieferant für die deutsche Panzerwaffe an allen Fronten. 1960 kaufte Daimler-Benz den Betrieb. Ende der 1960er Jahre firmierte das Unternehmen nach einigen Fusionen unter dem Namen Motoren- und Turbinen-Union Friedrichshafen GmbH (MTU). Hier werden bis heute die Motoren für die Panzer der Bundeswehr hergestellt, zum Beispiel der Antrieb des »Leopard«-Panzers. Mit dem Eintritt von Daimler internationalisierte sich das Geschäft bis in die USA. Nach weiteren Unternehmensverkäufen übernahm 2014 schließlich der Rolls-Royce-Konzern aus Großbritannien den Motorenhersteller MTU und führte die Marke weiter. 2019 wurde die MTU Friedrichshafen GmbH in Rolls-Royce Solutions GmbH umbenannt. Diese ist laut dem Firmenportal North Data Muttergesellschaft von MTU America. In den USA produziert dieser Konzernzweig mit der Unterstützung der US-Army den MT-883-Motor für das israelische Militär und andere Armeen.

Laut einem Sprecher verdiene Rolls-Royce Power Systems (RRPS) das meiste Geld mit Generatoren für Krankenhäuser und Rechenzentren sowie mit Motoren für Züge und zivile Schiffe. Der Verkauf der Militärmotoren von Rolls-Royce Solutions mache nur einen geringen Anteil am Gesamtumsatz aus. Nach Angaben des Friedensforschungsinstituts SIPRI erzielte der gesamte Rolls-Royce-Konzern 2023 einen Umsatz von 19,12 Milliarden US-Dollar, davon fielen 33 Prozent (6,29 Milliarden US-Dollar) auf die Rüstungssparte. Der Konzern belegt damit den 23. Platz unter den Toprüstungsunternehmen weltweit.²

Der Motor

Die Zusammensetzung aller Maschinenteile für den Antrieb eines Panzers nennt MTU ein »Power Pack«. Dieses besteht aus »Motor, Getriebe, Kühlsystem, Luftfiltration, Energiesystem, Vorwärmeinrichtung, Leistungsmanagement, Power Management und fahrzeugintegrierten Features. Alle Designs und Komponenten des Antriebssystems kommen aus einer Hand, so dass jede Komponente perfekt integriert ist für Zuverlässigkeit und optimale Leistung«, so der Rüstungskonzern in einer Broschüre. Das bedeutet, Rolls-Royce/MTU trägt die Verantwortung für das gesamte Antriebssystem, auch wenn die einzelnen Komponenten von verschiedenen Zulieferfirmen hergestellt werden.

Die Produktion der Motoren erfolgt nach einer Bestellung aus Israel. Zu den konkreten Produktionsaufträgen der israelischen Armee an den Konzern gibt es keine öffentlichen Dokumente. Weder MTU noch das israelische Verteidigungsministerium äußerten sich auf Anfrage zu den Bestellaufträgen.

Der Sprecher der Rolls-Royce Power Systems AG bestätigt auf jW-Anfrage zum »Merkava IV«-Motor schriftlich: »Rolls-Royce unterstützt die NATO und deren Verbündete bei der Bereitstellung von Antriebslösungen für Verteidigungszwecke. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zu Einzelheiten dieser Aktivitäten keine Stellung nehmen können.« Der Pressesprecher beteuert am Telefon: »Es ist kein Geheimnis, dass in Friedrichshafen Militärmotoren hergestellt werden. Wir sind seit Jahren im Sicherheitsbereich aktiv. Wenn die deutsche Regierung oder die US-Regierung die Lieferung der Motoren an Israel nicht genehmigen würde, dann würden sie sie auch nicht liefern.«

In Friedrichshafen werden Militärmotoren für die Bundeswehr und andere Armeen angefertigt. MTU hat in Deutschland 7.000 Mitarbeiter, 6.000 davon arbeiten in Friedrichshafen. Lieferdaten aus einer US-Importdatenbank, die junge Welt von Forschern der »Mask off Maersk«-Kampagne zur Verfügung gestellt wurden, bestätigen, dass MTU alle Grundbestandteile wie den Motorblock, die Kurbelwelle, das Kolbengehäuse, die Ölwanne, Kolben, Zahnräder und elektronische Steuerteile für den Motor in Deutschland herstellt. Auf der englischsprachigen Firmenseite gibt MTU auch selbst an, Zahnräder und andere Bauteile in Friedrichshafen zu produzieren und diese direkt für die Produktion der Motoren zur MTU-Fabrik in South Carolina zu schicken.

Unklar ist, ob MTU das Kolbengehäuse und andere große Teile komplett in Deutschland gießen lässt. Eine Anfrage bei der Gienanth-Gießerei in Schwandorf, Ortsteil Fronberg, soll Klarheit darüber schaffen. Der Geschäftsführer ist im Dezember 2024 zu einem Gespräch über die Motorenherstellung bereit. In Eisenberg in Rheinland-Pfalz stelle der Mutterkonzern Gienanth 4.000 Motorenblöcke im Jahr her. MTU ist hier Kunde. Der Geschäftsführer von Fronberg Guss schließt aber eine Produktion des Kolbengehäuses für den MT-883 in seiner Gießerei aus: »Wir stellen keine Panzermotoren her. Die in Eisenberg haben viel größere Kapazitäten«, gibt er zu verstehen. Die Interpretation zwischen den Zeilen: »In Eisenberg könnten sie auch Panzermotoren herstellen. Da sollten sie mal recherchieren.«

Die Pressesprecherin der Gienanth GmbH aus Eisenberg, Jutta Haag, lehnt eine Auskunft über ihre Produkte für den Kunden MTU ab und fordert die jW auf, keine weiteren Anfragen an Mitarbeiter auf Linkedin zu stellen. MTU werde sicher bei der Recherche weiterhelfen, verweist die Sprecherin auf den Auftraggeber der Motorengehäuse. MTU ist aber weiterhin zu keiner konkreten Auskunft über ihre Militärmotoren bereit.

Unter anderem wegen dieser Intransparenz gibt es seit Jahren Widerstand von Friedensaktivisten gegen die Motorenfabrik am Bodensee. Auf der Webseite waffenvombodensee.com dokumentiert der Pfarrer Rainer Schmid mit seinen Mitstreitern die Aktivitäten der Rüstungsunternehmen an dem Grenzsee zur Schweiz. MTU haben die Pazifisten besonders in den Blick genommen. Das MTU-Werk 2 direkt am See identifizierten sie bereits als Produktionshalle für Panzermotoren.³ Zu der Herstellung der Antriebe für den »Merkava IV« haben sie jedoch bis jetzt noch keine Details ausfindig machen können.

Aber die zugestellten Lieferdaten aus den USA zeigen, dass die fertigen Motorenteile per Lkw oder Zug zu den Containerhäfen Amsterdam, Bremerhaven und Stadersand bei Hamburg transportiert werden. Von dort verschiffen große Reedereien wie MSC oder kleinere maritime Logistiker mit der Hilfe des Transportunternehmens »Expeditors International of Washington« die Fracht über den Atlantik nach South und North Carolina. Allein über Bremerhaven verschickte MTU im Jahr 2024 86 Containerladungen mit tonnenschweren Motorenteilen in die USA.

Produktion in South Carolina

Von den Häfen Charleston und Wilmington transportieren Lkws die Teile zur Fabrik in Graniteville. In der unscheinbaren Fabrikhalle im Wald verarbeiten US-Facharbeiter die Einzelteile zum MT-883-Kampfpanzermotor. Um die neuesten Produktionsbedingungen zu gewährleisten, verlagerte Rolls-Royce/MTU die Produktion von Detroit in den Süden und stellt die »Merkava«-Maschine MT-883 seit 2010 im Aiken County her. Einer der Gründe, warum die Produktion in den USA stattfindet, ist laut einer Studie der Menschenrechtsorganisation Oxfam von 2012 die finanzielle Förderung: »Deutsche Rüstungsunternehmen haben von dem bisherigen wohlwollenden Wegschauen der Bundesregierung bei Weiterexportgeschäften über die USA profitiert. Häufig ermöglichte erst die Finanzierung durch das FMS-Programm (Foreign Military Sales, jW) das Exportgeschäft. Allerdings ist die Kernvoraussetzung für die Vergabe von FMS-Geldern, dass die Endmontage in den USA stattfindet – zumindest offiziell. Ein Beispiel: Die deutsche Firma MTU Friedrichshafen hat eigene Dieselmotoren vom Typ ›MT 883‹ in Einzelteile zerlegt und in die USA exportiert. Dort wurden sie (…) wieder zusammengesetzt und (…) nach Israel weiter exportiert, wo sie dann in die neuesten Kampfpanzer des Typs ›Merkava IV‹ eingebaut wurden.«⁴

»Das ›Foreign Military Sales‹-Programm ist die von der US-Regierung ermöglichte Methode zur Lieferung von US-Waffen an berechtigte ausländische Käufer, in der Regel Verbündete und Partnerstaaten«, so die Antwort des Anwalts und Aktivisten des American Friends Service Committee (AFSC), Noam Perry, auf eine Anfrage der jungen Welt. Auf seiner Webseite sammelt Perry Informationen über die US-Rüstungsexporte nach Israel.⁵

Der »Namer«-Truppentransporter der Israelis ist praktisch ein »Merkava IV«-Panzer ohne Turm. In den meisten offiziellen Dokumenten findet man nur den Namen »Namer« als Vertragsprodukt. Die Israelis können den Transporter als Grundlage für den »Merkava IV« verwenden. Die US-Militärverwaltung dokumentiert die Förderung des Vertrags zwischen Israel und MTU unter anderem auf der Webseite des US-Verteidigungsministeriums. »Wir wissen nicht, seit wann er in den USA hergestellt wird, aber das ist schon seit Jahrzehnten der Fall«, so Noam Perry.

2019 genehmigte das US-Verteidigungsministerium laut US-Amtsblatt den Verkauf von 240 Motoren für den israelischen gepanzerten Mannschaftstransporter »Namer« im Wert von 238 Millionen US-Dollar. Gebaut werden diese MT-883-Motoren in der MTU-Fabrik in Granite-ville. Arbeiter montieren dort die Einzelteile aus Deutschland zusammen. MTU schreibt auf seiner Webseite zur Fabrik im Aiken County: »Das Werk hat sich auch auf militärische Antriebssysteme ausgedehnt und montiert und führt komplette Überholungen von MTU-Motoren und -Aggregaten der Serie 883 durch, die in militärischen Anwendungen eingesetzt werden.« Auf Anfragen bei MTU America äußerte sich das Unternehmen nicht.

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Der MT-883-Motor mit zwölf Zylindern frisch aus der MTU-Fabrik in Graniteville, South Carolina

MTU versucht in Aiken Auszubildenden in ihrem Betrieb eine Perspektive in der Rüstungsindustrie zu bieten. In einem Youtube-Video des Ausbildungsträgers wird der MTU-Azubi Bryson Green bei der Motorenmontage gezeigt. Im Hintergrund sieht man die gusseisernen Motorenrahmen und Kisten voller Einzelteile, aber keine Gießerei oder größere Spezialmaschinen zur Herstellung komplizierter Elektrotechnik, wie in den Videos von der Fabrik in Friedrichshafen. Diese Aussagen und Videos aus der Fabrik unterstützen die Angaben aus den Lieferdokumenten, dass die großen Einzelteile für den Motor aus Deutschland geschickt werden und in Graniteville lediglich die Serienmontage der MT-883-Motoren stattfindet. In einem weiteren Video sieht man die Auszubildende Nigeria Williams vor einem unfertigen Zwölf-Zylinder-Motor, höchstwahrscheinlich handelt es sich dabei um den MT-883. Die Panzermotorbauerin erzählt in dem NBC-Bericht stolz von ihrer Praktikumsreise zur MTU-Zentrale in Deutschland.⁶

Es gibt Hinweise auf weitere deutsch-amerikanische Kooperationen bei der Herstellung anderer Motorenteile. Der Kühler des »Power Packs« des MT-883-Motors sieht so aus wie der Kühler, der in einer Mahle-Broschüre zu den militärischen Sonderfahrzeugen abgebildet ist. Die Firma Mahle hat ihren Stammsitz in Stuttgart. Auf jW-Anfrage schreibt Mahle-Sprecherin Manuela Höhne: »Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns grundsätzlich nicht zu einzelnen Kundenbeziehungen oder -projekten äußern.« Mahle stellt in den USA laut der Datenbank highergov.com den Kühler für den »Merkava III«-Motor AVDS 1790 her.⁷

Auch die deutsche Firma Vincorion baut laut einer öffentlichen Bewerbung auf einen Auftrag des US-Militärs, ebenfalls einsehbar auf highergov.com, den Stromgenerator für den »Merkava IV«. Vermutlich handelt es sich dabei um das Generatorenmodell »EPG husky«. Dieser Generator wird in einer Fabrik der Firma in Essen hergestellt. Der Generator wird für die Stromversorgung des Panzers und für bestimmte Funktionen des MTU-Motors benötigt. Auf Anfrage äußert sich Pressesprecher Florian Hanauer aus der Konzernzentrale in Wedel nicht zu dem konkreten Bauteil für den »Merkava«-Motor.

Transport nach Israel

Seit dem Jahr 2000 hat Israel 1.370 Motoren bestellt. 1.110 wurden bis 2024 geliefert, meist 50 pro Jahr. »Der MT-883 Ka (1500 hp) Dieselmotor für ›Merkava IV‹-Panzer und Namer APC, die in Israel produziert werden, und die Modernisierung alter ›Namer‹; zusammengebaut in der USA aus Komponenten, die in der BRD produziert werden.« So steht es in dem Rüstungsexportbericht des Friedensforschungsinstituts SIPRI. Aber ein Frachtdokument auf highergov.org, das der jungen Welt vorliegt, macht den Transport von der USA nach Israel transparent. Laut dem Vertrag zwischen MTU und dem israelischen Militär, vermittelt durch das FMS-Programm, wird GB-Packaging mit dem Transport beauftragt.⁸ Die Firma erscheint in anderen Dokumenten auch unter dem Namen Interglobal Forwarding Services. Im Hafen von New Jersey bei New York befindet sich die Lagerhalle. Von hier aus geht es per Containerschiff oder per Flugzeug nach Israel – zum Containerhafen in Haifa im Norden, zum Containerhafen in Ashdod im Süden oder zum Ben-Gurion-Flughafen östlich von Tel Aviv.

Der Logistikriese Maersk verschifft regelmäßig ganze Schiffsladungen mit Rüstungsgütern von den USA nach Israel. Die Forscher der Kampagne »Mask Off Maersk« konnten nachweisen, dass einmal in der Woche ein Containerschiff aus dem Hafen von New Jersey nach Israel fährt und von 2023 bis 2024 in sieben Fällen auch Panzermotoren transportierte. Diese Aussage deckt sich mit den Angaben des israelischen Zolls zur Einfuhr von Panzermotoren aus den USA.⁹

Das israelische Verteidigungsministerium lehnt jeden Kommentar zu deutscher Motorentechnik in israelischen Kampfpanzern ab. Aber zum Ort der Montage des deutschen Motors in den israelischen Panzer gibt es einige klare Anhaltspunkte. Die größte Panzerfabrik Israels, eine der größten der Welt überhaupt, befindet sich in Tel Hashomer. Die Montagehallen liegen verkehrsgünstig zwischen Tel Aviv und dem Ben-Gurion-Flughafen im Südosten der Stadt. Der Ort, »an dem die ›Merkava‹-Panzer montiert und repariert werden«, so das Militärportal warhistory.org.¹⁰ Auch die Deutsche Presseagentur (dpa) bestätigte den Standort der »›Merkava‹-Fabrik im Stützpunkt Tel Hashomer« in einer Meldung aus dem Jahr 2022 zur Vorstellung des neuen israelischen Schützenpanzers »Eitan«, ebenfalls mit MTU-Motor.

Ashot Ashkelon stellt mit der Lizenz der deutschen Firma Renk in der südisraelischen Stadt Ashkelon das Getriebe für das »Power Pack« des »Merkava IV« und des »Namers« her. Auf die Anfrage zur Zusammenarbeit der Firma mit den Konzernen Renk und Royce-Rolls/MTU verweigerte der Manager von Ashot Ashkelon, Eran Frenkel, eine Antwort. Das israelische Verteidigungsministerium bestätigte aber in einer Pressemitteilung im November 2024 einen neuen Vertrag mit Ashot Ashkelon über 46 Millionen US-Dollar für neue Getriebe für »Merkava«-Panzer und »Namer« APC, »die ihre Effektivität während des aktuellen Krieges unter Beweis gestellt haben«. Im April gab das israelische Verteidigungsministerium in einer Mitteilung einen weiteren Vertragsabschluss mit Ashot Ashkelon über 26 Millionen US-Doller für Getriebe und weitere Bauteile für den »Merkava« und den »Namer« für die nächsten fünf Jahre bekannt.

Laut dem israelischen Verteidigungsministerium stellt die israelische Firma Bental Industries Elektromotoren für Turbostarter des »Merkava IV« her. Die Firma Beth-El gibt auf ihrer Internetseite an, Luftfilter für das »Power Pack« des »Merkava«-Motors in Israel zu produzieren. Es ist stark anzunehmen, dass Firmen, die für das »Power Pack« Komponenten liefern, auch mit MTU kooperieren oder sogar mit der Lizenz von MTU die Bauteile herstellen, um eine fehlerfreie Funktion des Motors zu gewährleisten.

Die israelische Armee besitzt mehrere Panzerbrigaden, die im ganzen Land stationiert sind, oder sich direkt im Einsatz in der Grenzregion zum Libanon, auf den Golanhöhen in Syrien, im Westjordanland oder in Gaza befinden. Die »Tank and APC Administration« des Verteidigungsministeriums sorgt dafür, dass die Panzertruppe ständig mit neuen Kampffahrzeugen direkt aus der Fabrik beliefert wird.

Schwerlasttransporter befördern die Panzer zu ihrem Bestimmungsort. Auch diese werden von der US-Regierung gefördert.¹¹ In den militärischen Werkstätten in den Kasernen oder in Frontnähe wird der MTU-Motor des »Merkava IV« aus dem Panzer gehoben, gewartet, repariert oder ausgetauscht, wenn er defekt ist. In einem Video der »Kompanie 7181« der Panzermechaniker sieht man, wie Soldaten den MT-883-Motor bearbeiten. Hier kann man eindeutig das MTU-Logo auf dem Zylinderschutz erkennen.¹²

Kriegsverbrechen

An der Front angelangt, wird der »Merkava IV«-Panzer als tödliche Waffe gegen alles, was sich bewegt, eingesetzt. Nicht nur Kämpfer der Hamas werden in Gaza beschossen. Laut dem Journalistennetzwerk »Forbidden Stories« wurde neben dem AFP-Büro in Gaza im November 2023 auch das benachbarte Büro der Palestinian Media Group gezielt beschossen. Dabei seien israelische Panzer zum Einsatz gekommen, um die Liveberichterstattung über den Angriff auf die Stadt zu erschweren. Es sind weitere Kriegsverbrechen an der Al-Schifa und anderen Kliniken sowie in Flüchtlingslagern bekannt, die von »Merkava IV«-Panzern beschossen wurden. Israelische Soldaten berichteten auch schon nach der Invasion in Gaza 2014 von der Zerstörung palästinensischer Bauernhöfe und Felder durch israelische Panzer. Während der jüngsten Invasion Israels im Libanon beschossen im Oktober 2024 israelische Soldaten sogar UN-Truppen mit ihren »Merkava IV«-Panzern.

Die Diskussion um die Waffenexporte und einen Exportstopp deutscher Waffen an Israel hat mit dem Krieg in Gaza, in der Westbank und im Libanon an Fahrt aufgenommen. Besonders die Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof von Nicaragua, Kuba und Südafrika gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord und die Proteste verschiedener Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Aufschrei Waffenhandel oder die »Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung« (GKKE) haben die Debatte befeuert. Zwischenzeitlich hatte die Bundesregierung die Genehmigung der Rüstungsexporte nach Israel ausgesetzt oder sehr stark verlangsamt.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages beziffert die Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte für das Jahr 2023 auf 326,5 Millionen Euro.¹³ 2024 sank die Zahl der Genehmigungen. Die Bundesregierung wurde im Oktober 2024 auf einer Pressekonferenz zu den gestiegenen Waffenlieferungen 2023 nach Israel befragt, dort bekräftigte sie den Willen, trotz aller Kritik und gegen alle Widerstände weiterzuliefern.

Die Rüstungsexportberichte sind nicht sehr aufschlussreich. Es gibt 22 Kategorien für Rüstungsgüter. Es ist aber nicht klar, unter welche Kategorie die Teile für den Panzermotor fallen. Um diese Frage zu klären, hat jW das Wirtschaftsministerium um Klärung gebeten. Werden die Motoren MT-883 von Rolls-Royce/MTU in der Ausfuhrlistenposition A0006 als »Teile für Kampfpanzer, gepanzerte Fahrzeuge« für Israel komplett genehmigt? Oder werden nur die Einzelteile, die in die USA zur Weiterverarbeitung geschickt werden, als »Gussstücke und unfertige Erzeugnisse« in der Position A0016 genehmigt? Die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums, Raphaela Queck, wollte auf diese konkrete Frage zu den Kategorien nicht antworten. Zum MTU-Motor sagt sie nur: »In bezug auf Ihre Frage zu den Lieferketten in der deutschen und israelischen Verteidigungsindustrie müssten Sie sich bitte an die jeweiligen Unternehmen wenden.« Dass MTU zum Panzermotor schweigt, interessiert das Ministerium nicht. Es gibt also keine Möglichkeit, an offizielle Zahlen zu diesem fragwürdigen Exportgut zu gelangen.

Raphaela Queck verweist abschließend auf eine Anfrage der BSW-Politikerin Sevim Dagdelen zu den Ausfuhrgenehmigungen nach Israel 2024, die auch den MTU-Panzermotor betreffen. Die Frage, ob der Motor oder Teile davon als Dual-Use-Güter genehmigt werden, wird darin aber auch von der Bundesregierung in der bekannten Art und Weise abgebügelt. In einer Antwort auf eine Anfrage von Dagdelen vom März gab die Bundesregierung an, 2025 wieder mehr Rüstungsgüter nach Israel zu liefern. Zwischen dem 1. Januar und dem 16. März 2025 genehmigte Berlin Rüstungsexporte nach Israel im Wert von 24,46 Millionen Euro. Das seien fast dreimal so viele Rüstungsgüter wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Alle erteilten Genehmigungen seien für »sonstige Rüstungsgüter« erteilt worden. Das schließe auch die Kategorie A0006 für gepanzerte Fahrzeuge ein, so Sevim Dagdelen in der Berliner Zeitung am 26. März. Das bedeutet, dass weitere Panzermotoren für den israelischen »Merkava IV«-Panzer in diesem Jahr genehmigt wurden.

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Bei der aktuellen israelischen Bodenoffensive walzt der »Merkava IV« mit deutschem Motor durch die zerstörten Straßen Gazas (17.5.2025)

Die Bundesregierung verschleiert die konkreten Waffenexporte nach Israel, insbesondere die konkreten Rüstungsfirmen werden nicht genannt und dadurch aus der Verantwortung gezogen. Die deutsche Rüstungsindustrie, wie das Beispiel MTU zeigt, verdient Millionen an den Militäreinsätzen Israels gegen die Palästinenser. Tausende Zivilisten werden dabei ermordet. Völkerrechtswidrig wird ein Land besetzt und die Bevölkerung vertrieben. Die Bundesregierung unterstützt diese Kriegsverbrechen, wie diese Analyse belegt.

Anmerkungen

1 https://t1p.de/forbidden und https://t1p.de/Lemonde

2 https://t1p.de/SIPRI

3 https://t1p.de/MTU-Werk

4 https://t1p.de/oxfam

5 https://t1p.de/investigate

6 https://t1p.de/NBC

7 https://t1p.de/mahle und https://t1p.de/highergov

8 https://t1p.de/GB-Packing

9 https://t1p.de/maersk, siehe auch: https://t1p.de/shadowworldinvestigations

10 https://t1p.de/warhistory

11 https://t1p.de/turdef

12 https://t1p.de/Panzerwerkstatt

13 https://t1p.de/Ausfuhren

Benjamin Kirchhoff ist Social-Media-­Redakteur der jungen Welt.

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