Chemieriese schließt Anlagen
Von Oliver Rast
Jetzt ist es offiziell. Der US-Chemieriese Dow will bis 2027 zwei Anlagen in Mitteldeutschland dichtmachen, berichtete der MDR am Montag. In Böhlen in Sachsen und in Schkopau in Sachsen-Anhalt. Betroffen von der Schließung sind der sogenannte Steamcracker in Böhlen, der aus Rohbenzin chemische Grundstoffe herstellt, sowie die Chlor-Alkali- und Vinylanlagen in Schkopau. Damit stehen rund 550 Jobs auf der Kippe. Dow hat eigenen Angaben zufolge 13 Standorte in der BRD mit etwa 3.400 Beschäftigten.
Wie begründen die Bosse die Werksdemontage? Die Schließung der Anlagen, die ganz am Anfang der Wertschöpfungskette stünden, »dient dazu, Produktionskapazitäten anzupassen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen sowie kosten- und energieintensive Anlagen aus dem Portfolio zu entfernen«, steht in der Konzernmitteilung.
Auch sonst üblicher Firmensprech. Die strukturellen Herausforderungen für die Industrie in Europa seien riesig: Dazu gehörten Überkapazitäten, die durch zunehmende Importe verschärft würden, geringe Wachstumsaussichten, mangelnde Nachfrage aus Schlüsselindustrien, hohe Energie- und Rohstoffkosten, steigende CO2-Kosten, immenser Investitionsbedarf für Modernisierungen, hohe Kosten und fehlende Planbarkeit durch regulatorische Belastungen.
Extra bedrohlich ist: Der Cracker gelte als »Herz« der Verbundproduktion von Dow in der Region. Branchenkenner fürchteten, »dass von dem Aus weitere Firmen und damit Arbeitsplätze betroffen sein könnten«, mutmaßte das Handelsblatt online am Montag.
Erst Ende Mai hatte die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) samt Betriebsrat (BR) in Böhlen zaghaft protestiert – im Rahmen einer »politischen Mittagspause«. Ein »klares Signal« sei damals von der Belegschaft ausgegangen, meinte BR-Chef Andreas Zielke vor Medienvertretern. Und die Landesbezirksleiterin der IG BCE Nordost, Stephanie Albrecht-Suliak, zeigte sich »maximal verärgert«. Denn die Folgen der Schließung wären für die Region »katastrophal.« Als Gewerkschaft werde man das nicht hinnehmen, und um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Abwarten, bis es offiziell ist.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (8. Juli 2025 um 03:45 Uhr)»Auch sonst üblicher Firmensprech. Die strukturellen Herausforderungen für die Industrie in Europa seien riesig: Dazu gehörten Überkapazitäten, die durch zunehmende Importe verschärft würden, geringe Wachstumsaussichten, mangelnde Nachfrage aus Schlüsselindustrien, hohe Energie- und Rohstoffkosten (…).« Es wäre aber angebracht, wenn das auch der »Gewerkschaftsprech« wäre. Immerhin nennen die Unternehmer die Gründe, warum geschlossen wird, allerdings nicht, wer oder was diese Gründe hervorrief. Die Gewerkschaft protestiert zwar dagegen, dass die Arbeitsplätze wegfallen. Das ist die Folge von etwas, was man »den Elefanten im Raum« nennt, etwas, was nicht gesehen und erwähnt werden darf. Sie protestiert gegen die Folgen, weil sie es zuvor versäumte, gegen die Regierungspolitik zu protestieren, welche zu diesen Folgen führte. Die chemische Industrie in Deutschland stirbt langsam weg, weil die Führung der EU sowie die Bundesregierungen die relativ billige Rohstoffzufuhr aus Russland mutwillig abklemmten und der Ersatz wesentlich teurer ist. Überkapazitäten gibt es deshalb, weil nun niemand mehr das zu teure Endprodukt aus Deutschland haben will. Alle, auch die Schlüsselindustrien, leiden unter den durch reine Russophobie selbst verursachten erhöhten Energie- und Rohstoffkosten. Diese Gewerkschaften kommen mir vor wie Ärzte, die sich darauf beschränken, zu jammern, wenn jemand stirbt. Doch zuvor gab es von ihnen kein Wort des Protestes gegen eine sich ausbreitende Seuche namens Russenhass und Sanktionen. Sie kommen mir vor wie Gärtner, die ohne Proteste zusehen, wie ihre Wasserleitungen zerstört werden, die aber anschließend Demos für den Erhalt der Blumen organisieren, nicht etwa gegen Zerstörung der Leitungen. Auch die Manager des US-Chemieriesen äußern sich nicht dazu, wer die Gründe für die Schließungen schuf: Die US-Regierung, die Vasallenregierungen mit Sanktionen gegen Russland, die zuvor nie erhoben wurden, wenn sie selbst Krieg führten.
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