Es war einmal: Deutschkurse
Von Marc Hieronimus
Berufung ist nicht gleich Beruf. Wenn man aus Gründen erst spät zu jener findet, steckt man oft längst in einem von diesen fest – von irgendwas muss man ja leben. In einer anderen Gesellschaft könnte ich morgens Deutsch lehren, mittags einen Deutschkurs leiten und abends Deutsch unterrichten, wie ich gerade Lust habe, ohne je Deutschlehrer, DaF-Kursleiter oder Sprachmittler zu werden, wie so ähnlich mal jemand gesagt hat.
Denn ich gebe Deutschkurse, und zwar solche, die vom BAMF, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, finanziert werden. Das ist nicht erfüllend, aber die Kinder schauen mich nicht mit großen Käthe-Kollwitz-Hungeraugen an, wenn ich nach Hause komme, weil der Papa, also ich, genug zu essen heranschafft. Und sowieso zu Hause ist, weil er online arbeitet in einem der Kinderzimmer. Die Großen sind nämlich schon aus dem Haus. Gut, die Mutter der Kleinen verdient auch mehr als nur Brötchen und kocht hervorragend, aber im Prinzip bleibt es dabei: ohne BAMF kein Mampf.
Weil der Ampel-Haushalt geschummelt war, hat ebendieses Bundesamt kurz vor Weihnachten 2024 bekanntgegeben, ab sofort nur noch Sprachkurse bis Niveau B1 zu finanzieren. Das wird wohl auch unter Merz so bleiben. B1 heißt nach Europäischem Referenzrahmen, jemand »kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht«. Mehr sollen die Ausländer gar nicht können, außer sie arbeiten im Gesundheits- oder IT-Bereich, da gibt es weiterhin höhere Kurse, oder man spricht sowieso Englisch.
Jedenfalls bin ich da raus. Niveau A1/A2, »Guten Tag« und »Auf Wiedersehen« können andere unterrichten, ich nicht (außer ich bin sehr hungrig). Und jetzt? Zeit für die Berufung! Ich gehe mit drei Bands und einem halben Dutzend Instrumente auf die Bühne, kommt nur noch zu wenig bei rum. Und die wichtigste deutschsprachige Tageszeitung erlaubt mir gelegentlich, ein paar ihrer Zeilen zu füllen. Die werden sich denken, Hauptsache, der Junge ist von der Straße.
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