Flixbus fährt volles Risiko
Von Gudrun Giese
Schon wieder ein schwerer Flixbus-Unfall. Mehr als 30 Reisende wurden dabei Freitagnacht auf der Autobahn 19 in Mecklenburg-Vorpommern verletzt, mehrere von ihnen schwer. Erst im Januar waren bei einem witterungsbedingten Flixbus-Unfall im nordöstlichen Brandenburg zwei Menschen ums Leben gekommen und elf weitere verletzt worden.
Der Bus, der am Freitag bei Röbel in Mecklenburg verunglückte, war mit 53 Reisenden und zwei Fahrern in Kopenhagen gestartet und auf dem Weg nach Wien zu einem Zwischenstopp in Berlin unterwegs. Das Fahrzeug kam von der Autobahn ab und kippte auf die Seite, wobei einer der Reisenden zwei Stunden lang eingeklemmt wurde, bevor Rettungskräfte ihn befreien konnten. Zur Unfallursache gab es zunächst keine Auskunft. Die Staatsanwaltschaft beauftragte zur Klärung einen Gutachter der Dekra.
Dass bei Unfällen von Fernbussen immer wieder dieses Unternehmen genannt wird, hat einen einfachen Grund: Flixbus ist nahezu Monopolist in diesem Bereich. Seit der Fernbusmarkt 2013 für Verbindungen geöffnet wurde, auf denen zuvor allein die Bahn Reisende transportierte, hat sich in dem Geschäftsfeld viel getan. Der MDR berichtete Ende der Woche über die rasante Entwicklung von Flixbus vom kleinen Anbieter zum marktbeherrschenden Unternehmen. Verkehrten in der Anfangszeit mehrere Unternehmen zwischen verschiedenen Städten, begann das 2009 von drei Freunden als Startup gegründete und später erst in »Gobus«, anschließend in Flixbus umbenannte Unternehmen, den Markt durch Übernahmen aufzurollen. 2013 startete der Fernbusbetrieb mit vier Linien in Süddeutschland. Schon 2015 fusionierte Flixbus mit »Mein Fernbus«. Da beide Unternehmen damals weniger als 500 Millionen Euro Umsatz machten, blieb das Bundeskartellamt außen vor und durfte den Zusammenschluss nicht überprüfen.
Zunächst gab es noch weitere Anbieter, etwa »Postbus«, »IC Bus« der Deutschen Bahn und den englischen Anbieter »Megabus«. Laut MDR wandte Flixbus letztlich jeden denkbaren Trick an, um die Konkurrenz loszuwerden. Als etwa Megabus mit Ticketangeboten zum Preis von einem Euro den Markteinstieg in Deutschland attraktiv gestalten wollte, erwarb einer der drei Flixbus-Gründer mit der privaten Kreditkarte so viele dieser Schnäppchenfahrkarten wie möglich. Dem Stern sagte Mitgründer Jochen Engert 2018: »Wir haben als Team die Fähigkeit entwickelt, uns im harten Wettbewerb kreative Lösungen zu überlegen.« Im Fall Megabus, so gestand er ein, könne man eventuell zu kreativ gewesen sein. Doch auch in einem weiteren Fall, berichtete MDR, trickste Flixbus gleich zwei Konkurrenten aus: Als die Post und der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) eine Zusammenarbeit als »ADAC-Postbus« beschlossen, sicherte sich Flixbus die Internet-Adresse »ADACPostbus«, so dass das eigentliche Unternehmen das Nachsehen hatte, weil die Busreisenden auf der Suche nach einer passenden Verbindung auch auf diesem Wege wieder beim Pfiffikus der Branche landeten. Letztlich übernahm Flixbus auch Postbus.
2024 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mehr als zehn Millionen Reisende in Deutschland mit Fernbussen unterwegs. Flixbus hatte nach Medienberichten bereits im Vorjahr einen Marktanteil von 95 Prozent. Das Erfolgsmodell des Unternehmens mit Sitz in München besteht aus mehreren Komponenten: Flixbus verbindet nicht nur Großstädte, sondern bietet auch Verbindungen zwischen kleineren Städten an. Fahrgäste werden zudem an Zwischenhalten aufgesammelt. Die Ticketpreise hängen von der Streckenauslastung ab. Außerdem sammelt das einstige Startup fleißig Daten über das Nutzerverhalten. »Wir sind sehr klar ein Tech-Unternehmen«, hatte Mitgründer André Schwämmlein in einem Interview betont. Außerdem betreibt Flixbus selbst nur einen Bus und konzentriert sich sonst auf die Fahrpläne sowie den Ticketverkauf. Für das eigentliche Transportgeschäft werden Busfirmen im In- und Ausland beauftragt. Und die müssen letztlich dafür geradestehen, wenn es einen schweren Unfall gibt, wie Freitagnacht bei Röbel.
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