Politik der Spaltung
Von Daniel Bratanovic
Springers privilegiert informierte Medien witterten schon in der vergangenen Woche die große »Steuersauerei« und dürfen sich nun bestätigt sehen. Der Koalitionsausschuss von Union und SPD konnte sich nicht auf eine Stromsteuersenkung für alle Verbraucher verständigen. Bild mimt mal wieder den Anwalt des kleinen Mannes, der – mal wieder – in die Röhre guckt, und scheint vordergründig recht zu haben. Tatsächlich entfällt somit die im Koalitionsvertrag vereinbarte Entlastung eines übergroßen Teils der Lohnabhängigen, während umgekehrt die großen stromhungrigen Industriekonzerne von den Regierungsbeschlüssen profitieren werden. Wäre Bild nicht Bild, sondern eine, sagen wir, Arbeiter-Illustrierte-Zeitung, man läse dort womöglich: »Regierung macht Klassenpolitik – von oben, für oben.«
Linke Kritik weiß selbstredend noch etwas: Die Stromsteuersenkung für alle hätte den Bundeshaushalt mit weiteren 5,4 Milliarden Euro belastet; Geld, sagt der Finanzminister, das nicht da ist. Wo es ist, verrät der Kassenwart der Bundesrepublik nicht. Eine Erinnerung: Der Wehretat im Jahr 2025 wird um mehr als zehn Milliarden Euro auf rund 62,43 Milliarden Euro steigen, hinzu kommen weitere rund 24 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. Ein Staat, der seinen Haushalt so aufstellt, zeigt, wo er seine Prioritäten setzt, und den arbeitenden Klassen den ausgestreckten Mittelfinger.
So weit, so richtig, so verkürzt. Wenn die Journaille von Bild Kampagne macht, darf man nicht annehmen, das geschehe zu redlichen Zwecken. Vorgetragen haben das politische Manöver zur allgemeinen Stromsteuersenkung Politiker der Unionsparteien. Mehr Gerechtigkeit und Gleichheit hatten die allenfalls für die Kapitalseite im Sinn, als nämlich auch der immerzu angerufene und beschworene deutsche Mittelstand beziehungsweise das nichtproduzierende Gewerbe von den Entlastungen begünstigt werden sollte. Ansonsten herrschte die Devise: Spalten. Die erweiterte Steuersenkung ist aufgrund von Haushaltszwängen nicht durchführbar? Kein Problem, kürzen wir beim Bürgergeld, da laufen die Kosten ohnehin »aus dem Ruder«. Kleine Zuwendungen für solche, die noch in Lohn und Brot stehen, verschärfte Drangsal für jene, die es nicht mehr sind.
Auch wenn das schäbige Quid pro quo der Christdemokraten ohne Erfolg blieb, konnten auf diesem Wege die Sozialdemokraten immerhin vorgeführt werden. Denn wenn die eine Stromsteuersenkung nur für die großen Industriekonzerne damit begründen, dass es zunächst darum gehen müsse, die deutsche Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern, klingt das nicht einmal mehr klassisch sozialpartnerschaftlich.
Was dann auch nur noch heißt, dass der ganze Zinnober – wie im Grunde immer – sich bloß um unterschiedliche Antworten auf die Frage dreht, wie der Staat seinen Standort gestaltet, damit Kapital sich wieder wohlfühlen kann und Arbeiter nicht brüllen, wenn ihnen das Fell über die Ohren gezogen wird.
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Leserbrief von Wilfried Schubert aus Güstrow (7. Juli 2025 um 12:43 Uhr)Im Wahlkampf betonte Friedrich Merz, mit ihm werde es keine Reform der Schuldenbremse geben. Das war mit der Wahl zum Bundeskanzler vergessen. Zumindest ist es sehr unlauter. Aber es geht weiter. Die Bundesregierung will die Forderung der NATO, die Militärausgaben auf 5 Prozent des BIP zu erhöhen, erfüllen. Das sind jährlich 215 Milliarden Euro. Macht fast die Hälfte eines Jahreshaushaltes. Die Militärausgaben für 2025 sollen 75,2 Milliarden Euro plus 20 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen betragen. Hinzu kommt die Militärhilfe für die Ukraine. Die vorgesehene gewaltige Steigerung der Rüstungsausgaben muss kompensiert werden. Deshalb ist die im Koalitionsvertrag festgelegte Senkung der Stromsteuer für alle nicht mehr vorgesehen. Betroffen ist vor allem Otto Normalverbraucher. Die Regierungspolitik lässt vermissen, wie man den 13 Millionen Menschen, 15 Prozent der deutschen Bevölkerung helfen will, die unter der Armutsgrenze leben?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (4. Juli 2025 um 13:29 Uhr)Um das ganze mal ein wenig zu veranschaulichen hier die entsprechende Preis, bzw. Kostenkalkulation. Im Jahr 2014 belief sich der Energieverbrauch in der BRD auf 8469 mal 10 hoch 15 Joule. Davon entfielen 33,58 % auf die Industrie, 24,56% auf den Verkehr, 27,02% auf Gewerbe und 14,84% auf Haushalte. Der reine Stromverbrauch lag bei 2290 ·10 hoch 15 Joule. Dieser teilte sich auf: 53,36 % für Industrie, 6,07% für Verkehr, 28,52% für Gewerbe und 13,06% für Haushalte. Leider finde ich zur Zeit keine aktuellen Zahlen, das Bundesamt für Statistik ist ja auch eine Bundesbehörde, allerdings wird sich an den Verhältnissen, auch wenn durch den Konjunktureinbruch der Industrieverbrauch etwas gesunken ist, nicht grundsätzlich etwas verändert haben. Auch ist bei der Umsetzung in Preise zu beachten, dass der Industriestrom immer schon ein Standortfaktor ist. Also durch Subventionen, garantierte Fest- oder Höchstpreise etc. nicht in dem Maße zu Buche schlägt wie Haushaltsstrom. Dies unberücksichtigt ergibt sich 13,06% = 5,2 Mrd. € also für Industrie 21,25 Mrd.€ und Gewerbe 11,36 Mrd. € Gesamt 32,61 Mrd. € D. h. die BRD Regierung sponsert Industrie und Gewerbe, zu letzterem gehört auch die Landwirtschaft mit etwa 30 Mrd. € und sieht leider keine Möglichkeit noch weiter 5 Mrd.€ für die Bevölkerung aufzubringen. Ist schon schade, Herr Klingenbeil.
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Leserbrief von Peter Groß (4. Juli 2025 um 13:20 Uhr)Unternehmer sauer, Verbraucher enttäuscht, Rentner und Arme tot. So könnte die kurze Formel lauten. Im Supermarkt treffe ich immer mehr Menschen, die mehrmals am Tag eine »einige Grad weniger« suchen und ruhelos vor Kühlregalen flanieren, weil Strom (in der eigenen Wohnung) für den Ventilator unbezahlbar ist und sie ohnehin aus dem Grundtarif der teuersten »Grundversorger« nicht herauskommen. Wieder schürt die CDU-SPD-Kriegskoalition richtig Angst im Volk. Nicht nur vor den Russen. Auch vor den unbezahlbaren Stromrechnungen. Vor den Russen, die von Litauen bis Portugal alles überfallen wollen? Nun, die werden in Rückschau auf die damalige Besatzungszone in der DDR weitaus klügere Gedanken haben als ganz Europa zu besatzen. Dazu wäre dauerhaft viel zu viel Personal nötig. Bis zur »Wiedervereinigung« wurden sämtliche Vermögenswerte der damaligen DDR gefressen. Ehrliche Historiker müssten das wissen. Vor Ort fährt in diesen Tagen der örtliche Bestatter täglich aus. Vor wenigen Jahren war das deutlich weniger. Keiner spricht über »Hitzetod«, eher über Herz-Kreislauf-Versagen. Hört sich in einer von Tourismus geprägten Region besser an als Wüstentodeszone Bodenseekreis. Für die andauernden Gastgeschenke in den Koffern der Minister, übrigens alles Zusatzleistungen einzelner Ressorts der Deutschen Kriegskoalition, gibt es keine parlamentarischen Beschlüsse, soweit ich weiß. Es sind jeweils zwei bis drei Milliarden, die mit jedem Besuch eines Ministers zusätzlich in den dunklen Kanälen der Ukraine verschwinden. Die Unternehmer sind sauer, weil die Profitraten nicht höher ausfallen. Durchschnittsverbraucher, weil das zweite Eis oder Bier vom Mindestlohn ohnehin nicht bezahlbar und somit unerreichbar ist. Der Tod armer Rentner ist vermutlich eingepreist vom Klingbeil-Clan. Alle, die gelegentlich ein Fürst-Pückler-Eis wollen, steht der Weg zur Bundeswehr offen. Ausreichend Soldaten wird es erst geben, wenn große Teile der Bevölkerung ins vollständige Elend gestürzt sind.
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Leserbrief von Wolfgang Schlenzig aus Berlin-Mariendorf (4. Juli 2025 um 10:18 Uhr)Da sieht man wieder mal, dass der kleinere Mittelstand, das Handwerk und die Freiberufler nicht zu den Kapitalisten gehören, die mit Regierungsunterstützung absahnen dürfen. Diesen Umstand sollten auch die Linke und das BSW in ihrer Politik mehr beachten. Genau dort gilt es, die Unzufriedenheit mit dem aktuellen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem weiter zu schüren. Diesen Leuten, diesen Unternehmern deutlich zu machen, dass sie potentiellen Bündnispartner einer Volksfront gegen den Raubtierkapitalismus für das Gemeinwohl sind. Denn sie leiden genau auch unter den Preiserpressungen der »Großen«, können meist nicht ins billigere Ausland entweichen, müssen deswegen auch ihre Mitarbeiter darben lassen, verzichten oft selber und sind in der Mehrheit nicht auf Maximalprofit aus.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (7. Juli 2025 um 14:06 Uhr)»Diesen Leuten, diesen Unternehmern deutlich zu machen, dass sie potentiellen Bündnispartner einer Volksfront gegen den Raubtierkapitalismus für das Gemeinwohl sind. Denn sie leiden genau auch unter den Preiserpressungen der ›Großen‹, können meist nicht ins billigere Ausland entweichen, müssen deswegen auch ihre Mitarbeiter darben lassen, verzichten oft selber und sind in der Mehrheit nicht (!) auf Maximalprofit aus«. Damit folgen Sie wohl der sogenannten antimonopolistischen Strategie mancher kommunistischer Parteien. In der KAZ Nr. 360, »Der 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale und die antimonopolistische Strategie« heißt es zu solchen Illusionen: »Falsch wird es, wenn damit vermittelt werden soll, dass die nichtmonopolistische Bourgeoisie auf unsere Seite gezogen werden könnte. Die nichtmonopolistische Bourgeoisie ist in einem imperialistischen Land wie Deutschland mit tausend Fäden mit dem Monopolkapital verflochten, zieht bei jeder Offensive des Monopolkapitals gegen die Arbeiterklasse mit und drängt üblicherweise auf noch härtere Gangart, da sie weniger Puffer hat als die Monopolbourgeoisie«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (3. Juli 2025 um 22:47 Uhr)Da 54 Zehntelmilliarden, hier 54 Euro. Soviel würde ich nämlich pro Jahr weniger zahlen müssen, wenn die Stromsteuer auf meinen Stromverbrauch gestrichen würde, »besser als in die Hose geschissen« hätte mein Vater gesagt. Ich habe mal in den Stromrechnungen geblättert und die Abrechnung vom August 2022 mit der vom August 2024 verglichen: In der Bezugsperiode 2023/2024 durfte ich vierzig Prozent mehr als in der Bezugsperiode 2021/2022 pro Kilowattstunde blechen. Ob die Damen und Herren StaatsverweserInnen in der Lage sind, die Ursachen dafür zu ermitteln? Kann nur der Russe gewesen sein und meine Abrechnung ist fake news, oder? Wo liegt eigentlich der Mehrwert des Stromes, für den ich die gleichnamige Steuer bezahle? Der Staat legt darauf wohl noch mehr Wert drauf als auf die Stromsteuer, nämlich neunzehn Prozent. Man könnte glatt auf die Idee kommen, ein Balkonkraftwerk für 300 bis 500 Euro zu installieren. Mit modernen Panelen (Wirkungsgrad!) von zwei Quadratmetern könnte ich etwa dreihundert Kilowattstunden im Jahr für den Eigenverbrauch erzeugen, d. h., die Stromrechnung wird rund hundert Euro im Jahr niedriger, Amortisationszeit drei bis fünf Jahre. Ärgerlich nur: Dem Netzbetreiber schenke ich dann (mindestens) die gleiche Strommenge wegen der Netzkopplung …
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vom 04.07.2025