Brennpunktstaat BRD
Von Niki Uhlmann
Noch liegt der Hitzerekord der BRD bei 41,2 Gard Celsius – gemessen 2019 in Duisburg. Diesen zu knacken, hat sich kürzlich das Hochdruckgebiet »Pluto« angeschickt und damit eine hitzige Debatte über den Umgang mit Höchsttemperaturen entfacht. Vor deren Folgen warnte am Mittwoch der Deutsche Wetterdienst: »extreme Wärmebelastung«, Unwetter, hohe Waldbrandgefahr und gesundheitliche Risiken für jüngere wie ältere oder vorerkrankte Menschen. Letztlich ist der Schutz vor Hitze eine Geld- und somit eine Klassenfrage.
Vor zwei Jahren hat die Ampelkoalition das Klimaanpassungsgesetz verabschiedet: Mit begrünten Fassaden, Trinkbrunnen, Kühlzonen und derlei mehr sollen Bund und Länder der Klimakrise begegnen. Am Mittwoch kritisierte der Deutsche Städtetag allerdings, dass der klimagerechte Umbau lahme. »In den Ländern passiert nichts«, klagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin, Christine Wilcken, im Deutschlandfunk. Die besonders betroffenen Städte könnten die Versäumnisse nicht ausbügeln, warb sie für die seit langem geforderte finanzielle Beteiligung des Bundes.
Etwas alarmierter schaltete sich gleichentags die Bundesärztekammer ein. Schleunigst brauche die BRD »verbindliche Hitzeschutzpläne« und »gezielte Unterstützung für besonders gefährdete Menschen«, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Man stünde bereit, könne »das aber nicht allein leisten«. Zu Wort kam dort auch Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD), die etwas holzschnittartig Verständnis und guten Willen signalisierte: Die Hitze ließe »kaum Luft zum Atmen« und erfordere, Städte »fit für die Zukunft« zu machen, weshalb die Mittel für die Städtebauförderung bis 2029 verdoppelt würden.
Derweil sorgte sich Die Linke um besonders vulnerable Gruppen. »Hitze trifft arme Menschen doppelt«, mahnte Evelyn Schötz, Mitglied der Bundestagsfraktion, per Pressemitteilung. Oft wohnten sie in »städtischen Wärmeinseln« und seien »gesundheitlich vorbelastet«. Hitzeschutz dürfe »kein Luxus« bleiben, sei »Voraussetzung dafür, dass unser Gesundheitssystem der Klimakrise standhält«, warb sie für ein »bundeseinheitliches Hitzeschutzgesetz«. Am Vortag hatte die Diakonie gefordert, öffentliche Einrichtungen bei Hitze für Wohnungslose zu öffnen. Linksparteichef Jan van Aken forderte im Tagesspiegel vom Mittwoch, das »Saison-Kurzarbeitergeld für Bauarbeiter auf Hitzetage im Sommer« auszuweiten. Während die Grünen den Handlungsbedarf eingesehen hätten, urteilte Marc Biadacz (CDU): »Realitätsfern«.
Wie er hielt es am Dienstag auch die Allianz. »Hitzewellen lähmen die Wirtschaft«, da »insgesamt weniger gearbeitet« würde, kommentierte Allianz-Ökonomin Jasmin Gröschl eine Studie der Versicherung. Ein extrem heißer Tag entspreche in etwa einem halben Streiktag. Weil das nur in Einzelfällen verkraftbar sei, forderte sie eine Energiewende sowie klimaresiliente Infrastruktur. Was droht, wenn weder ein klimagerechter Umbau noch eine Entlastung besonders Betroffener erfolgen, war zuvor einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts zu entnehmen: Pro Jahr fielen in der BRD rund 1.400 Behandlungen wegen gesundheitlicher Schäden durch Hitze oder Sonnenlicht an.
Wirklich keinen Lebensbereich lässt die Hitze verschont. Der Naturschutzbund warnte vor den Gefahren für Wildtiere, der Digitalverband Bitkom vor »dauerhaften Schäden an Akku oder Display« von Handys. Besonders hart traf es am Dienstag 48 Bahnreisende der Nordwestbahn, die laut Bundespolizei zweieinhalb Stunden lang bei kaputter Klimaanlage mitten auf einer Eisenbahnbrücke in Westermarsch steckengeblieben waren. Fünf Personen seien demnach wegen Kreislaufproblemen und Dehydrierung behandelt worden. Böschungsbrände sorgten andernorts für Verspätungen.
Die BRD, die seit Jahren ihre Klimaziele verfehlt, gleichzeitig davon schwärmt, bei der Klimatechnologie unter den Spitzenreitern zu sein, und nicht müde wird, ihren Einsatz für Klimaneutralität auch international an die große Glocke zu hängen, scheint nun, da die hausgemachte Klimakrise hierzulande ihre zerstörerischen Resultate zeitigt, von selbigen kalt erwischt und überfordert.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (2. Juli 2025 um 21:16 Uhr)Von den Gegnern von S21 wurde seit jeher argumentiert, die Umwandlung des Vorfeldes des alten Kopfbahnhofs in städtische Bebauung würde die Kaltluftschneise in den Kessel abschneiden. Hat aber nichts genützt. Möglicherweise hilft die List der Vernunft. Es könnte sein, dass wegen der hirnrissigen Planung von S21 der Kopfbahnhof erhalten bleiben muss und damit auch die Frischluftschneise nicht verstopft wird. Leseempfehlung: https://www.lok-report.de/news/deutschland/aus-den-laendern/item/59616-baden-wuerttemberg-stuttgart-21-nicht-auch-noch-die-kaltluftschneise-zubauen.html
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