Milliarden am Bedarf vorbei?
Von Gudrun Giese
Jahrelang investierten die Kommunen aus Geldmangel zuwenig in die Infrastruktur. Schulen, Sporthallen und Straßen gammeln oft vor sich hin. Inzwischen beziffern Städte, Gemeinden und Landkreise die Investitionslücke auf 215,7 Milliarden Euro, was einen Anstieg um 29,6 Milliarden Euro oder 15,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet.
Das ist ein Ergebnis des jährlichen Kommunalpanels der KfW (früher: Kreditanstalt für Wiederaufbau), für das das Deutsche Institut für Urbanistik im Auftrag von KfW Research bundesweit repräsentativ die Kämmereien von Städten und Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern sowie alle Landkreise befragt. Den größten Investitionsrückstand machen die Kommunen mit 67,8 Milliarden Euro beim Schulbau aus. Grund dafür könne der gesetzliche Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab 2026 sein, vermutet Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW. »Den Kommunen wird nun bewusst, dass sie hier noch Nachholbedarf haben.« Fast 90 Prozent der größeren Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern verwiesen auf einen nennenswerten oder gravierenden Rückstand bei den Schulbauinvestitionen; bei den kleineren Gemeinden war es etwas mehr als die Hälfte.
Viel Geld fehlt mit 53,4 Milliarden Euro für die Instandsetzung der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur. Ursächlich sei dafür auch fehlendes Geld für den Unterhalt von Straßen und Schienenwegen. 32 Prozent der Kommunen gaben in der Umfrage an, dass sie sich den Unterhalt des Straßennetzes nur in geringem Umfang oder gar nicht mehr leisten könnten, das war ein Anstieg um sechs Prozentpunkte im Vergleich zu 2024. In diesem Jahr wollen die Kommunen insgesamt 48 Milliarden Euro in die Infrastruktur investieren, eine Milliarde Euro mehr als im Vorjahr, wobei sie laut einer Hochrechnung tatsächlich nur 30 Milliarden Euro ausgegeben haben sollen. »Hier spielen auch nichtmonetäre Hemmnisse eine Rolle, etwa mangelnde personelle Ausstattung in den Bauämtern, komplexe Dokumentationspflichten und langwierige Genehmigungsverfahren«, so KfW-Volkswirt Schumacher. Um so mehr richteten sich die Hoffnungen der Kommunen nun auf das sogenannte Sondervermögen Infrastruktur der Bundesregierung. Hier sei es wichtig, »dass das Geld zwar zielgerichtet, aber möglichst unbürokratisch verteilt wird«.
Wie schnell das passieren wird, ist allerdings noch offen. Derzeit gibt es einen Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums vom 6. Juni für ein »Gesetz zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen von Ländern und Kommunen«. Großer Bedarf bestehe dort insbesondere bei der »Sanierung und dem Ausbau der Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur, dem Erhalt und der Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur, dem Ausbau der Energieinfrastruktur« sowie in Kliniken, Digitalisierung, Forschung und vielen anderen Bereichen, heißt es im Entwurfstext. Mit dem neuen Artikel 143 h des Grundgesetzes sei die Grundlage für die Errichtung eines »Sondervermögens mit eigener Kreditermächtigung von bis zu 500 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur« sowie für Klimaneutralität bis 2045 geschaffen worden. Daraus stünden 100 Milliarden Euro den Bundesländern zu, die wiederum Anteile aus dem Topf an die Kommunen weiterleiten sollen. Diese beziffert das Bundesfinanzministerium auf mindestens 60 Prozent der »auf das jeweilige Land entfallenden Mittel für Investitionen«; auf diese Weise sollten die »Länder dem hohen Anteil der kommunalen Investitionen an den Gesamtinvestitionen von Ländern und Kommunen Rechnung tragen«, wird im Gesetzentwurf betont. Haken an der Sache könnte allerdings sein, dass Mittel aus dem »Sondervermögen« ausschließlich zu zusätzlichen Investitionen bei Ländern und Kommunen führen müssen. Der Investitionsstau der Gemeinden lässt sich so nicht auflösen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (2. Juli 2025 um 16:38 Uhr)»Das Kapital ist gleichgültig gegenüber dem Gebrauchswert.« Da kann gammeln was will und wenn es noch so sehr gebraucht wird. Mit einem Taschenspielertrick hat Merz der Öffentlichkeit suggeriert, die neuen Sondervermögen genannten Schulden hätten etwas mit der Beseitigung der gravierendsten Mängel an der öffentlichen Infrastruktur zu tun. Sich auf die entsprechenden hohlen Phrasen des Koalitionsvertrages zu berufen negiert einfach, dass sie von Anfang an in betrügerischer Absicht formuliert wurden. Die Schuldengrenzen wurden beiseite geschoben, um in der Rüstungsindustrie Maximalprofite zu erzielen und auf dem europäischen Kontinent möglichst bald einen Großkrieg anzuzetteln und nicht, um im Land etwas zu verbessern. Darum zu betteln, es möge doch dabei auch etwas Nützliches abfallen, kann man sich sparen. Daran war nie gedacht. Und das wird es auch nicht geben. Wozu etwas aufbauen, was ohnehin bald in Scherben fallen soll?
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