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Aus: Ausgabe vom 01.07.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Geburtsstationen in Großbritannien

Ins NHS oder gesund bleiben

Britisches Gesundheitssystem: Untersuchung nach Todesfällen auf Geburtsstationen
Von Dieter Reinisch
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Neugeborenes Kind auf einer Geburtsstation

Kein Ende der schlechten Nachrichten aus dem britischen Gesundheitssystem NHS: Die Regierung in London ordnete nach Skandalen auf englischen Geburtsstationen eine landesweite Untersuchung an. Die Kommission zur Pflegequalität (CQC) hatte wegen der Lage in zwei Geburtsstationen im nordenglischen Leeds Alarm geschlagen. Einer BBC-Reportage zufolge war es dort innerhalb von dreieinhalb Jahren zu mindestens 56 vermeidbaren Todesfällen von Neugeborenen gekommen.

139 Geburtsstationen in England würden unzureichende Sicherheitsstandards aufweisen. In anderen Berichten war von verweigerten Kaiserschnitten und mangelnder Pflege die Rede. Ebenso soll es laut AFP Hinweise auf eine ungleiche Behandlung von Angehörigen ethnischer Minderheiten geben: Schwarze Frauen hätten demnach in Kliniken ein viermal so hohes Risiko, während der Schwangerschaft oder Geburt zu sterben, wie weiße Frauen, bei Asiatinnen sei das Risiko doppelt so hoch wie bei Weißen.

Die Labour-Regierung habe vergangenen Sommer eine Situation übernommen, »in der Probleme in der Geburtshilfe schon seit längerem bestehen«, so Gesundheitsminister Wes Streeting am vergangenen Montag. Die Untersuchung werde sich »mit den leistungsschwächsten Diensten im Land, aber auch im gesamten Geburtshilfesystem befassen«, um so sicherzustellen, dass »jede Frau und jedes Baby eine sichere, qualitativ hochwertige und einfühlsame Versorgung erhält«. Der Endbericht soll im Dezember 2025 vorliegen. Bereits jetzt seien Sofortmaßnahmen eingeleitet worden. Streeting erklärte in einer Pressekonferenz, er habe zahlreiche Familien getroffen, die ein Neugeborenes verloren oder auf der Geburtsstation »schweres Unrecht erlitten haben in einem Moment, der der glücklichste ihres Lebens hätte sein sollen«. Nun solle sichergestellt werden, »dass die Familien die Wahrheit und die Rechenschaft bekommen, die sie verdienen, und dass kein Elternteil und kein Baby jemals wieder im Stich gelassen werden«, betonte der Minister.

Doch die Probleme sind weitergehend: Eine Gewerkschaftsumfrage hat Anfang April große Hygienemängel in Krankenhäusern offengelegt. Von den knapp 9.000 befragten Beschäftigten im Gesundheitswesen gab rund jeder Sechste an, in den vergangenen zwölf Monaten Ratten oder Mäuse gesehen zu haben. »Diese Ergebnisse sind schockierend«, hatte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge erklärt. Die Umfrage zeige den schlimmen Zustand des NHS nach einem Jahrzehnt der Vernachlässigung. Und auch die Zustände auf den Geburtsstationen sind nicht ganz neu. Bereits vor anderthalb Jahren wurde bekannt: Die Zahl der Britinnen, die während der Schwangerschaft oder kurz nach der Entbindung sterben, ist laut einer Studie auf den höchsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten gestiegen. Besonders betroffen: schwarze Frauen und Frauen aus armen Wohngegenden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (30. Juni 2025 um 22:24 Uhr)
    Da werden Milliarden in Waffen und Militär verbrannt, aber GB kann nicht einmal ein Gesundheitssystem unterhalten. Auf Kuba, dass unter einer verstärkten, massiven Blockade leidet, passiert sowas nicht!! Im Kapitalismus zählt das Leben eines nicht privilegierten Säugling nichts!

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