Diplomatie der Waffen
Von Reinhard Lauterbach
Johann Wadephul kennt seine Pappenheimer – pardon, seine Pappergers. Der Rheinmetall-Chef hatte schon kurz nach Beginn des Krieges in der Ukraine die Geschäftsmöglichkeiten gerühmt, die sich für sein Unternehmen aus einer Joint-Venture-Rüstungsproduktion auf ukrainischem Boden ergeben könnten: in erster Linie die Möglichkeit, mit Rheinmetall-Technologie in der Ukraine entstandene Waffensysteme von dort aus ohne hinderliche deutsche Kriegswaffenkontrollgesetze und dergleichen Überbleibsel aus Zeiten vor der »Zeitenwende« in alle Welt zu exportieren. Deutsche Waffen, deutsches Geld …, man kennt den alten Demospruch. Jetzt wird er ungeniert zu einem Stück Realität gemacht.
Wadephuls Ankündigung einer erweiterten Rüstungszusammenarbeit erschöpft sich aber nicht darin, deutschen Waffenkonzernen lukrative Geschäftsmöglichkeiten zu eröffnen. So wie laut Goethe Blut ein ganz besonderer Saft ist, so sind auch Waffen keine gewöhnlichen Exportwaren wie Spülmaschinen oder Luxuslimousinen. Sie gehen direkt in den staatlichen Konsum des Empfängerlandes auf der elementarsten Ebene ein – der staatlichen Selbsterhaltung. Dadurch erzeugen sie politische Einflussmöglichkeiten neuer Art. Ob der ukrainische Präsident einen Mercedes oder einen Buick als Dienstwagen fährt, ist vergleichsweise egal, davon hängt weder der deutsche noch der US-Einfluss am Dnipro ab. Aber woher die Waffensysteme kommen, mit denen dieser Staat sich militärisch durchzusetzen sucht, das eröffnet Optionen auch für politische Einflussnahme. Und damit auch Optionen für die Führungsrolle, die die Merz-Regierung in der EU in Sachen Kriegsverlängerung beansprucht.
Denn je mehr deutsche Waffen – oder deutsch-ukrainische Gemeinschaftsprodukte – in der Ukraine zum Einsatz kommen, desto mehr Optionen gewinnt die Bundesrepublik, diese Rolle auch ganz praktisch auszuüben. Ohne dass die geschätzten EU-Partner darauf noch viel Einfluss haben, außer anteilig dafür zu zahlen. Denn auch die Ausstattung einer Armee mit Waffensystemen ist pfadabhängig. Wer einmal den Fuß in der Waffenkammer hat, behält ihn lange drin. Dass die Ukraine aus Westeuropa und den USA seit 2022 mit einem Sammelsurium neuer und aus dem Depot geholter Systeme ausgestattet wurde, hat zweifellos Synergieverluste erzeugt: Die Granaten des einen Lieferanten passten nicht in die Kanonen des anderen und so weiter.
Schließlich ist Wadephuls Ankündigung einer vertieften rüstungstechnischen Zusammenarbeit deutscher und ukrainischer Produzenten auch eine diskrete Mitteilung an Wolodimir Selenskij. Der hatte zuletzt angeregt, die Ukraine könne in den USA Waffen bestellen, die die EU zu bezahlen hätte. So nicht, mein Lieber, lautet die Antwort aus Berlin. Wenn wir schon zahlen sollen – und wollen, denn ohne geht es nicht –, dann werden wir auch davon profitieren.
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