Gegründet 1947 Sa. / So., 28. / 29. Juni 2025, Nr. 147
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Aus: Ausgabe vom 28.06.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Am alldeutschen Wesen …

Zu jW vom 23.6.: »Mit Vollgas an die Wand«

Wadephul: »Deutschland muss ein Vorbild sein, wir müssen bereit sein zu führen«, zitierte das Magazin Der Spiegel den Minister nach Angaben vom Freitag. »Es liegt an uns, das Notwendige für unsere Sicherheit zu tun und die NATO zusammenzuhalten.« Sonderschulden/-vermögen für Rüstung und Kriegsvorbereitung nach oben offen – Ausgaben fürs Soziales und Gemeine immer unter »Finanzierungsvorbehalt«. Aktuell muss Wehrpflicht für alle vorbereitet werden, da »wir« noch 200.000 junge Leute fürs Operative und als Kanonenfutter benötigen. Wir befinden uns in gerader Linie mit all denen, die sich mit der Reichsgründung anno dunnemals den großen Reibach gewünscht und ihn nahezu bruchlos bis heute fortzusetzen gedenken. Auch wenn zur Zeit für die geplante Hochrüstung angeblich nur 45 Prozent der Bevölkerung für das Fünfprozentziel vom BIP votieren und 37 Prozent dagegen, gehören die übrigen 18 Prozent zur schweigenden Mehrheit, die wie immer bereit ist mitzumachen. Es lohnt, sich immer wieder vor Augen zu führen, wie diese Kriegsstimmungen innerhalb eines früher monarchistischen, dann faschistischen und aktuell bürgerlich-parlamentarischen Systems zustandekommen. Die Hintergründe einer solchen Politik mussten und müssen einer breiten Öffentlichkeit aus Sicht der Herrschenden vernebelt werden: dazu unterstellt, dass so wichtige Erkenntnisse eines F. Fischer (»Griff nach der Weltmacht«) oder K. H. Reichel (»Wie macht man Kriege – wie macht man Frieden?«) wenig bis kaum bis in die heutige Zeit hineinreichen. Deutschlands Drang zu »führen«, »Verantwortung zu übernehmen« oder einfach die Vorstellung, dass am »deutschen Wesen die Welt genesen« könne, zeigt uns ein Kontinuum deutscher Zeitgeschichte auf. Vor dem Ersten Weltkrieg war die Wirtschaftsleistung Deutschlands größer als die Frankreichs oder Großbritanniens. Der Weg zu weiterer Dominanz in Europa und zur Erlangung von Kolonien war nur durch Machtpolitik und Militär zu erreichen. Die Frage, ob es dabei um Recht oder Unrecht gegenüber anderen Staaten gehe, wischte Reichskanzler von Bülow bereits 1905 anlässlich der Marokko-Krise in einer Depesche an den Kaiser zurück: »Recht und Unrecht sind (…) im Völkerverkehr da von Bedeutung, wo der Rechtsverletzer nicht so mächtig ist, dass er sich über alles hinwegsetzen kann.« Ein Baron von Vietinghoff-Scheel erklärt zur Eröffnung des Alldeutschen Verbandstages von 1912: »Unsere Grenzen sind zu eng. Wir müssen landhungrig werden, (…) sonst werden wir ein sinkendes Volk. Wäre das germanische Volk kriegsfürchtig so hätte es ausgelebt.« Im Organ des Alldeutschen Verbandes steht 1913: »Führerrassen (…) können erobern, dürfen erobern, sollen erobern.«

Manfred Pohlmann, Hamburg

Verhandeln mit Cowboys

Zu jW vom 23.6.: »Ära des Faustrechts«

2003 gab sich die Führung der USA noch diplo­matische Mühe. In einer meisterhaften Rede verteidigte Colin Powell vor der UNO den unvermeidbaren Angriff auf den Irak mit einer glatten Lüge. Die Zeiten haben sich geändert. MAGA-Trump ist erneut Präsident der USA und Trampolina-Baerbock endlich Präsidentin der UN-Generalversammlung. Und die Gottesstreiter an der Spitze Israels schlagen zur Verteidigung um sich wie nie zuvor, erstmals auch offen gegen den Iran. In dieser strategisch günstigen Lage wäre eine dem unvermeidbaren Angriff auf den Iran vorauseilende Verteidigungsrede der USA in der UNO reine Verschwendung militärtaktisch wertvoller Zeit. Der Iran musste ohnehin wissen, was nach dem Scheitern ultimativer Verhandlungen mit schwerbewaffneten Cowboys auf ihn zukommt. Und damit endlich Haken dran an die Liste der bösen sieben – Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und Iran – die Staaten, die die USA nach der »9/11«-Attacke in einem Akt weltweiter Selbstverteidigung angreifen sollten, laut ehemaligem US-General und Pentagon-Gänger Wesley Clark. Wenn Drecksarbeit Verschwörungstheorie wahr macht.

Joachim Fröhlich, Kirchseeon

Einseitig

Zu jW vom 25.6.: »Verein genießt Pressefreiheit«

Dieses Urteil könnte man als »Sieg« für die Pressefreiheit werten, auch im Sinne der jungen Welt. Aber Vorsicht! Wer das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin im Falle junge Welt gegen die Bundesrepublik gelesen hat, sieht schon Parallelen zum Compact-Urteil. Aber in dem Urteil des Richters Peters werden Konstruktionen an den Haaren herbeigezogen, die nur eines bezeugen – Richter Peters ist aus meiner Sicht nicht unbefangen! Das Urteil des VerwG Berlin enthält mehr politische Fehleinschätzungen, als man im ersten Moment denkt. Schon das Heranziehen des FDJ-Verbots von 1954, des KPD-Verbotskomplexes des BVerfG aus dem Jahre 1956, die Vorwürfe gegen Redaktionsmitglieder, sie seien Mitglieder der DKP – einer in Deutschland zugelassenen Partei –, die Vorwürfe gegen Verlag und Redaktion bei diversen Veranstaltungen (UZ-Pressefest) eine »Lenin-Bar« aufgebaut zu haben, die Solidarität unter anderem mit Kuba (Kuba und Deutschland unterhalten diplomatische Beziehungen – ist das auch verfassungsfeindlich?), all das ist äußerst fragwürdig. Auch die Diskreditierung der DDR als »Einparteienherrschaft« ist historisch (vorsichtig gesagt) nicht zu halten. Im Staatsrat und in der Volkskammer saßen neben der SED auch solche Parteien wie die CDU, die NDPD, die LDPD, die Bauernpartei und – im Gegensatz zum Bundestag – Massenorganisationen wie der FDGB, die FDJ, der DFD. In dem Urteil zur jungen Welt zeigt sich mir eines – hier ist politisch höchst motiviert ein Urteil gesprochen worden. Und der Vorsitzende Richter Peters wird nun »Verfassungsschutzchef« in Brandenburg. Das könnte man auch als Fehlbesetzung bezeichnen, denn der Artikel 5 GG scheint für Herrn Peters nicht zu existieren, was seine Tiraden unter anderem gegen die Lehren von Marx, Engels und Lenin und seine sehr einseitige Auseinandersetzung damit beweisen.

Andreas Eichner, Schönefeld

Aktuell muss Wehrpflicht für alle vorbereitet werden, da »wir« noch 200.000 junge Leute fürs Operative und als Kanonenfutter benötigen.

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